Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
bewusstlos, und eine hatte eine hässliche, klaffende Wunde an der Stirn. Eine dritte, eine Frau mit kantigem Gesicht, kauerte auf den Knien, starrte ins Leere, umklammerte ihren Kopf mit beiden Händen und schrie. Sie schien von all den Splittern und Kistenstücken unberührt. Er erkannte keine von ihnen. Er empfand sofort Bedauern, dass es nicht Galina oder Erian waren, die er gedämpft hatte – er konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, dass er das beabsichtigt hatte; Lews Therin hatte lang und breit erklärt, wie er jede Einzelne jener zerbrechen wollte, die ihn eingesperrt hatten; Rand hoffte, es wäre seine eigene Idee gewesen, wie übereilt auch immer sie war. Dann sah er unter Kistenteilen eine weitere Gestalt auf dem Boden ausgestreckt. Eine Gestalt in einem rötlichem Mantel und einer rötlichen Hose.
Die Frau mit dem kantigen Gesicht sah ihn nicht an und hörte auch nicht auf zu schreien, als er sie gegen die niedrige Steinkrönung eines Brunnens stieß, während er vorüberkroch. Er fragte sich verzweifelt, warum auf ihre Schreie hin niemand kam. Auf halbem Weg zu Min bemerkte er aus dem Himmel schießende Lichtblitze und über ihm explodierende Feuerkugeln. Er roch brennendes Holz, hörte Männer schreien und rufen, das Aufeinanderschlagen von Metall und den Missklang der Schlacht. Es kümmerte ihn nicht, ob es Tarmon Gai’don war. Wenn er Min getötet hatte … Er wandte sie sanft um.
Dunkle Augen sahen zu ihm auf. »Rand«, hauchte sie. »Du lebst. Ich hatte Angst nachzusehen. Es gab einen furchtbaren Knall, und überall flogen Holzstücke herum, und ich erkannte einen Teil der Kiste und …« Tränen rannen ihre Wangen hinab. »Ich dachte, sie hätten … Ich hatte Angst, du wärst …« Sie rieb sich mit zusammengebundenen Händen übers Gesicht und atmete tief durch. Auch ihre Fußknöchel waren gefesselt. »Wirst du meine Fesseln lösen, Schafhirte, und ein Wegetor von hier fort eröffnen? Oder erspare dir die Mühe, die Fesseln zu lösen. Wirf mich einfach über deine Schulter und geh.«
Er führte geschickt Feuer und trennte damit ihre Fesseln. »Es ist nicht so einfach, Min.« Er kannte diesen Ort nicht. Ein Wegetor, das von hier aus eröffnet wurde, mochte überallhin führen, wenn es überhaupt eröffnet werden konnte. Wenn er überhaupt eines eröffnen konnte. Schmerz und Erschöpfung streifte die Ränder des Nichts. Er wusste nicht, wie viel Macht er beanspruchen konnte. Plötzlich spürte er, wie Saidin in alle Richtungen gelenkt wurde. Durch die Bäume, jenseits brennender Wagen, sah er Aiel gegen Behüter kämpfen und die mit grünen Umhängen bekleideten Soldaten Gawyns, wie sie vom Feuer und den Blitzen der Aes Sedai zurückgedrängt wurden, aber erneut angriffen. Irgendwie hatte Taim ihn gefunden und Asha’man-Soldaten und Aiel mitgebracht. »Ich kann noch nicht gehen. Ich glaube, einige Freunde sind gekommen, um mich zu retten. Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich beschützen.«
Ein gezackter Silberblitz zerteilte einen Baum am Rande des Dickichts, nahe genug, dass Rands Haare verwehten. Min schrak zusammen. »Freunde«, murrte sie und rieb sich die Handgelenke.
Er bedeutete ihr zu bleiben, wo sie war – abgesehen von diesem einen fehlgeleiteten Blitz schien das Dickicht unberührt –, aber als er aufstehen wollte, war sie sofort da und stützte ihn auf einer Seite. Während er zu der spärlichen Baumreihe stolperte, war er für ihre Hilfe dankbar, aber dann zwang er sich dazu, sich aufzurichten und sich nicht mehr auf sie zu stützen. Wie konnte sie glauben, dass er sie beschützen würde, wenn er sie brauchte, um nicht hinzufallen? Eine Hand am zerschmetterten Stamm des vom Blitz getroffenen Baumes half. Rauchfäden stiegen von dem Baum auf, aber er hatte kein Feuer gefangen.
Die Wagen bildeten einen großen Kreis um die Bäume. Einige der Diener versuchten, die Pferde zusammenzuhalten – die Gespanne befanden sich noch immer im Geschirr –, aber die meisten hatten sich irgendwo in der Hoffnung hingekauert, dem von oben kommenden Zorn zu entgehen. Tatsächlich schienen alle Blitze außer jenem einen auf die Wagen und die kämpfenden Männer gerichtet gewesen zu sein. Vielleicht auch auf die Aes Sedai. Jede hielt ihr Pferd ein Stück von dem Gewirr der Speere und Schwerter und Flammen zurück, aber nicht allzu weit, und stellte sich manchmal in den Steigbügeln auf, um besser sehen zu können.
Rand entdeckte Erian schnell, schlank und dunkelhaarig, auf einer
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