Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
hin.
Egwene achtete nicht auf Myrelles Worte. Bryne hatte sie angesehen, als er Mat erwähnte. Die Schwestern glaubten, die Situation bei der Bande und Mat zu kennen und dachten nicht weiter darüber nach, aber Bryne tat dies offensichtlich doch. Sie neigte den Kopf so weit, dass die Krempe ihres Huts ihr Gesicht verbarg, und betrachtete ihn aus den Augenwinkeln. Er war durch einen Eid daran gebunden, das Heer zu bilden und anzuführen, bis Elaida gestürzt war, aber warum hatte er die Eide geleistet? Er hätte sicherlich einen weniger gewichtigen Eid leisten können, der auch zweifellos von den Schwestern anerkannt worden wäre, die all jene Soldaten nur als Narrenmaske benutzen wollten, um Elaida zu erschrecken. Ihn auf ihrer Seite zu wissen, war tröstlich. Selbst die anderen Aes Sedai schienen so zu empfinden. Wie ihr Vater war auch er ein Mensch, der einem in jeder Situation alle Furcht nahm. Ihn gegen sich zu haben, erkannte sie plötzlich, könnte genauso schlimm sein, wie den Saal gegen sich zu haben. Die einzige Anerkennung, die Siuan ihm jemals gezollt hatte, war ihre Bemerkung, dass er ungeheuerlich sei, obwohl sie diese Bemerkung dann sofort wieder abschwächte. Jeder Mann, den Siuan Sanche für ungeheuerlich erachtete, war bemerkenswert.
Sie durchquerten einen schmalen Fluss, eher ein Flüsschen, das kaum die Pferdehufe benetzte. Eine angeschlagene Krähe, die sich an einem in zu flachem Wasser gestrandeten Fisch nährte, schlug hilflos mit ihren zerfetzten Flügeln und fraß dann weiter.
Siuan beobachtete auch Bryne – ihre Stute lief viel leichter, wenn sie nicht an den Zügeln zerrte oder die Fersen im falschen Moment in ihre Flanken schlug. Egwene hatte sie nach Lord Brynes Beweggründen befragt, aber Siuans eigene verworrene Verbindung zu dem Mann erlaubte kaum mehr als Bissigkeit, wenn es um ihn ging. Entweder hasste sie Gareth Bryne abgrundtief, oder sie liebte ihn, und sich Siuan verliebt vorzustellen, war, als stelle man sich diese Krähe schwimmend vor.
Auf dem Hügelkamm waren jetzt keine Soldaten der Bande mehr auszumachen, sondern nur noch abgestorbene Nadelbäume. Egwene hatte nicht bemerkt, dass die Männer verschwunden waren. Mat hatte einen Ruf als Soldat? Schwimmende Krähen kamen nicht nahe. Sie hatte geglaubt, er befehlige die Männer nur Rand zuliebe, und das war ausreichend schwer zu schlucken gewesen. Es ist gefährlich zu glauben, weil man zu wissen meint, erinnerte sie sich, während sie Bryne betrachtete.
»… sollte ausgepeitscht werden!« Myrelles Stimme klang noch immer zornig. »Ich warne Euch. Wenn ich erfahre, dass Ihr Euch wieder mit diesem Drachenverschworenen getroffen habt …!«
Die Drohung prallte anscheinend wirkungslos an Bryne ab. Er ritt unbeeindruckt weiter, murmelte nur gelegentlich: »Ja, Myrelle Sedai« oder »Nein, Myrelle Sedai«, ohne Anzeichen von Sorge zu zeigen und ohne seine aufmerksame Beobachtung der Umgebung zu unterbrechen. Er hatte die Soldaten zweifellos davonreiten sehen. Wie auch immer er seine Geduld aufbot – und Egwene wusste innerlich, dass Angst nichts damit zu tun hatte –, war sie nicht in der Stimmung, dem zuzuhören.
»Seid still, Myrelle! Niemand wird Lord Bryne etwas anhaben.« Sie rieb sich die Schläfen und erwog, eine der Schwestern im Lager um Heilung zu bitten. Weder Siuan noch Myrelle besaßen ausreichende Fähigkeiten. Nicht dass das Heilen etwas nützen würde, wenn es nur am Schlafmangel und den Sorgen lag. Nicht dass sie Gerüchte hören wollte, die Anstrengung sei zu viel für sie. Außerdem gab es andere Möglichkeiten, mit Kopfschmerzen umzugehen, als das Heilen, wenn auch nicht hier.
Myrelle presste kurz die Lippen zusammen. Dann wandte sie den Kopf ruckartig und mit geröteten Wangen ab, und Bryne schien plötzlich in die Betrachtung eines Falken mit roten Schwingen vertieft, der zu ihrer Linken abdrehte. Auch ein tapferer Mann konnte Taktlosigkeit erkennen.
Der Falke legte die Flügel an und schoss mit sich aufplusternden Federn auf eine unsichtbare Beute hinter einem Hain Lederblattbäume herab. Egwene fühlte sich auch so – als stoße sie in der Hoffnung, das Richtige erwählt zu haben, auf unsichtbare Ziele herab, und auch in der Hoffnung, dass es hier überhaupt ein Ziel gab.
Sie atmete tief ein und wünschte, sie wäre ruhiger. »Richtig, Lord Bryne, es ist wohl das Beste, wenn Ihr Talmanes nicht wieder trefft. Ihr wisst sicherlich inzwischen so viel über seine Absichten wie nötig.« Das
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