Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
entschied offensichtlich, dass sie seine Hilfe doch nicht benötigten, denn er wandte sich um und lief zur Kutsche, aber sie verpasste ihm dennoch eine Abreibung. Er brüllte lauter als ein zorniger Stier, während die Frau in der Kutsche ihn an der Weste hereinzog.
»Danke, aber wir brauchen keine Hilfe«, rief Nynaeve höflich.
Nur wenige waren geblieben, die es noch hören konnten. Als deutlich wurde, dass die Eine Macht gebraucht wurde – und dass Menschen plötzlich umhersprangen und aus keinem ersichtlichen Grund schrien, machte es den meisten überdeutlich –, eilten sie davon. Die Frau mit der langen Nase rappelte sich hoch, sprang auf die rote Kutsche und klammerte sich unsicher daran, während der Kutscher in seiner dunklen Weste die Pferde mit Peitschenhieben durch die Menge drängte, sodass die Menschen beiseitespringen mussten. Sogar der Taschendieb humpelte davon, so schnell er konnte.
Nynaeve hatte es nicht weniger gekümmert, wenn sich die Erde aufgetan und alle verschlungen hätte. Mit schmerzender Brust ließ sie vermischte dünne Stränge Wind und Wasser, Erde, Feuer und Geist durch Elayne fließen. Es war ein einfaches Gewebe, das trotz ihrer Schwäche und Benommenheit leicht zu gestalten war, und das Ergebnis ließ sie aufatmen. Es war keine ernstliche Verletzung. Elaynes Schädel war nicht gebrochen. Normalerweise hätte sie die Stränge in weitaus kompliziertere Gewebe umgeleitet, in die Heilung, die sie selbst entdeckt hatte. Aber im Moment konnte sie nur einfachere Gewebe gestalten. Nur mit Geist, Wind und Wasser wob sie die Heilung, welche die Gelben schon seit undenklichen Zeiten benutzt hatten.
Elayne riss die Augen auf und krampfte sich mit einem Keuchen, das ihr allen Atem zu nehmen schien, zusammen, während ihre Fersen auf dem Pflaster aufschlugen. Dies dauerte nur einen Moment, aber währenddessen schrumpfte die Beule und verschwand.
Nynaeve half ihr auf – und die Hand einer Frau mit einem Zinnbecher voll Wasser schob sich zwischen sie. »Selbst eine Aes Sedai ist nach einem solchen Erlebnis durstig«, sagte die Näherin.
Elayne griff nach dem Becher, aber Nynaeve umschloss ihr Handgelenk. »Nein, danke.« Die Frau zuckte die Achseln, und als sie sich abwandte, sagte Nynaeve in verändertem Tonfall noch einmal: »Danke.« Es schien leichter über die Lippen zu gehen, je häufiger man es sagte. Sie war sich nicht sicher, ob ihr das gefiel.
Das Meer aus Spitze wurde angehoben, als die Näherin abermals die Achseln zuckte. »Ich fertige Kleidung für jedermann. Ich kann Euch eine bessere Farbwahl empfehlen als die Eure.« Sie verschwand wieder in ihrem Laden. Nynaeve sah ihr stirnrunzelnd nach.
»Was ist passiert?«, fragte Elayne. »Warum wolltest du mich nicht trinken lassen? Ich bin durstig und hungrig.«
Mit einem letzten finsteren Blick hinter der Näherin her beugte sich Nynaeve herab, um den Pfeil aufzuheben.
Elayne brauchte keine weiteren Erklärungen. Saidar schimmerte sie sofort ab. »Teslyn und Joline?«
Nynaeve schüttelte den Kopf. Die leichte Benommenheit schien zu schwinden. Sie glaubte nicht, dass diese beiden sich zu so etwas herablassen würden. Sie glaubte es einfach nicht. »Was ist mit Reanne?«, fragte sie ruhig. Die Näherin hatte sich, noch immer hoffnungsvoll, wieder in den Eingang ihres Ladens gestellt. »Vielleicht will sie sich vergewissern, dass wir wirklich gehen. Oder noch schlimmer – vielleicht Garenia.« Das war fast so erschreckend, als wenn es Teslyn und Joline gewesen wären. Und weitaus ärgerlicher.
Elayne sah sogar im Zorn hübsch aus. »Wer auch immer es war, wir werden es herausfinden, du wirst sehen. Nynaeve, wenn der Kreis weiß, wo sich die Schale befindet, können wir sie finden, aber …« Sie biss sich zögernd auf die Lippe. »Ich weiß nur einen Weg, wie wir sichergehen können.«
Nynaeve nickte langsam, obwohl sie lieber eine Handvoll Staub gegessen hätte. Der heutige Tag war ihr anfangs so heiter erschienen, aber dann hatte sich Düsterkeit auf ihn gelegt, von Reanne zu … Oh, Licht, wie lange würde es noch dauern, bis sie ihr graues Haar hatte?
»Weine nicht, Nynaeve. Mat kann nicht so schlecht sein. Er wird sie in wenigen Tagen für uns finden, ich weiß es.«
Nynaeve weinte nur noch heftiger.
KAPITEL 25
Geistfalle
M oghedien wollte dem verhassten Traum entfliehen, aber es nützte nichts, aufwachen oder schreien zu wollen. Der Schlaf hielt sie fester als jegliche Fesseln. Der Anfang ging schnell vorüber,
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