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Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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    HANS-JOACHIM TOMASCHEWSKI
     
     
     
    Tomaschewski war müde, unendlich müde und niedergeschlagen. Obwohl er den gestohlenen VW mit ziemlicher Geschwindigkeit den breiten Kurt-Schumacher-Damm hinunterjagte, schloß er immer wieder die Augen, mußte sie einfach schließen, um die schmerzende Müdigkeit weitere Augenblicke lang ertragen zu können. Tränen, gegen die er vergebens ankämpfte, rannen ihm bis auf die Oberlippe hinunter. Der Gin, den er noch getrunken hatte, ließ sein Selbstmitleid übermächtig werden. Noch immer spürte er den kalten Lauf der Beretta an der rechten Schläfe. Warum nur hatte er keine Kraft gehabt abzudrücken, sich die Ruhe zu verschaffen, die er so ersehnte? Warum hatte er nicht schon als Junge sterben können, als Zwölfjähriger vielleicht, bevor ihn das Leben mit all seinen Forderungen packen konnte? Kampf und immer nur Kampf – um die besten Zensuren, um die besten Mädchen, um die gewinnträchtigsten Aufträge… Kampf und kein Frieden.
    Und nun diese Tat, die er so sehr verabscheute und die er nicht mehr aufhalten konnte.
    Oben an der Müllerstraße mußte er bremsen, die Ampeln zeigten Rot. Du Waschlappen, murmelte er vor sich hin, du Schlappschwanz, du Arschloch! Er haßte sich wegen seiner Schwäche. Um das, was er vorhatte, zum guten Ende zu bringen, mußte man ein eiskalter Kerl sein und kein hilfloses Kind. Es war Wahnsinn, diesen Überfall auf die Brandenburgische Vereinsbank zu starten. Glatter Wahnsinn.
    Er bog nach links ab, um über Tegel nach Hermsdorf zu fahren. Wenn er diesen Weg wählte, brauchte er wohl fünf Minuten länger bis zum Ziel. Eine Galgenfrist… Warum durfte er nicht anhalten und aussteigen, in die nächste Kneipe gehen und alles vergessen? Was trieb ihn voran? Er wußte es nicht.
    Wenn man es oberflächlich besah, gab es schon Gründe, sicher. Heute war Dienstag, und wenn er im Laufe dieser Woche nicht an die hunderttausend Mark an seine Gläubiger zurückzahlte, dann konnte er Konkurs anmelden. Dann war er pleite.
    Trotzdem…
    Das Ungewöhnliche, das Aberwitzige seines Vorhabens gab ihm einen Teil seiner Kraft zurück. Plötzlich bewunderte er sich. Mein Gott, er war doch ein Mann, der alles auf eine Karte setzte, der Kopf und Kragen riskierte, ein Glücksritter! Er überholte gerade einen Doppeldeckerbus der BVG. Mit jähem Stolz bemerkte er, daß die Reklameflächen für seine Firma warben: MÖBEL VON GT – EINE PFUNDSIDEE!
    Ein gutes Omen.
    Seine Stimmung schlug um. Ein Lustgefühl erfaßte ihn, eine wilde Lust, die Welt wie eine willige Frau zu packen und zu nehmen. Fast hätte er angehalten und ein Mädchen angesprochen, das an einer der vielen Haltestellen wartete. Darf ich Sie vielleicht ein Stückchen mitnehmen? Er zweifelte nicht daran, daß sie eingestiegen wäre. Diese bronzefarbenen Schenkel! Wenn ihm der große Coup gelang, konnte er wieder Dutzende von diesen Mädchen haben. Manager wie er, elegant, verschwenderisch und frei, waren jederzeit gefragt. Die Erektion, die sich prompt bei ihm einstellte, vertrieb seine Mutlosigkeit.
    Vielleicht hätte er sich doch einen schnelleren Wagen beschaffen sollen. Aber ein VW, noch dazu ein grauer, war nun mal am unauffälligsten. Ja, die Beretta steckte in der linken Brusttasche seines grauen Flanellanzuges. Er spürte, wie ihr Griff gegen seine Rippen stieß. Er nahm die rechte Hand vom schweiß glänzenden Lenkrad und fuhr mit ihr in die Seitentasche. Seine Fingerkuppen strichen über die feinen Maschen eines Nylonstrumpfes. Einer von Susannes Strümpfen. Er hatte ihn nach einigem Suchen in einer vergessenen Truhe gefunden. Wie lange mochte es her sein, daß sie ihn getragen hatte? Wie oft mochte er seinen Rand gesucht und geküßt haben? Vorbei. Ein für allemal vorbei. Jetzt sollte er ihm als Maske dienen.
    Es war wie vor einer Operation. Er wollte die Zeit anhalten, wollte nicht wahrhaben, daß es bald soweit sein würde, aber er wußte doch, daß alles so kommen mußte, wie es vorher geplant war. Er war nur noch Sklave seines selbständig gewordenen Willens, war nur noch Marionette.
    Ob er mal anhalten sollte, um sich noch ein paar Zigaretten zu holen? Ja, aber du steigst gleich wieder ein! Er entdeckte eine Parklücke und quetschte sich aus dem engen Wagen. Nicht weit vom U-Bahnhof Tegel entfernt fand er einen Automaten. Die Markstücke fielen klickend hinunter, er zog den Griff heraus und steckte die bunte Packung ein. Rauchen wollte er gar nicht.
    Er ging langsam zur Ecke und

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