Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
folgen. Nüchtern betrachtet war es höchstwahrscheinlich ein Diener gewesen, aber das würde sie niemals jemandem sagen – Aviendha am allerwenigsten. »Wir sind in Sicherheit, und in wenigen Stunden werden wir den Bauernhof der Kusinen erreichen und die Schale benutzen, und die Welt wird wieder heil sein.« Nun, etwas heiler. Die Sonne schien niedriger zu stehen als über dem Stallhof, aber sie wusste, dass das nur Einbildung war.
Moridin beobachtete hinter einem weißen schmiedeeisernen Sichtschutz, wie die letzten Pferde und dann die große junge Frau und die vier Behüter durch das Wegetor verschwanden. Möglicherweise trugen sie einen Gegenstand davon, den er vielleicht gebrauchen konnte – vielleicht ein auf Menschen abgestimmtes Angreal –, aber das war eher unwahrscheinlich. Was den Rest der Ter’angreale betraf, würden sie sich höchstwahrscheinlich bei dem Versuch umbringen, ihren Verwendungszweck herausfinden zu wollen. Sammael war ein Narr, dass er so viel riskiert hatte, um eine Ansammlung dessen in Besitz zu bekommen, wovon niemand wusste, was es war. Aber andererseits war Sammael niemals auch nur halb so klug gewesen, wie er gedacht hatte. Er selbst würde seine Pläne nicht einfach über den Haufen werfen, um zu sehen, welche Bruchstücke der Zivilisation er finden könnte. Nur müßige Neugier hatte ihn hierhergeführt. Er wollte gern wissen, was andere für wichtig hielten. Aber es war wertloses Zeug.
Er wollte sich gerade abwenden, als die Umrisse des Wegetors sich plötzlich zu dehnen und zu zittern begannen. Er sah gebannt hin, bis die Öffnung einfach dahinschmolz. Er hatte niemals dazu geneigt, Verwünschungen von sich zu geben, aber jetzt kamen ihm einige in den Sinn. Was hatte die Frau getan? Diese barbarischen Provinzler bereiteten zu viele Überraschungen. Eine Art zu Heilen wurde abgetrennt, wie unvollkommen auch immer. Das war unmöglich! Nur dass sie es getan hatten. Unfreiwillige Zirkel. Jene Behüter und der Bund, den sie mit den Aes Sedai teilten. Er hatte schon lange, lange Zeit davon gewusst, aber wann immer er sie zu verstehen meinte, offenbarten diese Primitiven eine neue Fertigkeit, taten etwas, wovon niemand in seinem Zeitalter jemals geträumt hätte. Etwas, das die Zivilisation nicht einmal auf ihrem Höhepunkt gekannt hatte! Was hatte das Mädchen getan?
»Großer Meister?«
Moridin wandte kaum den Kopf vom Fenster ab. »Ja, Madic?« Verdammt sei seine Seele – was hatte das Mädchen getan?
Der kahl werdende Mann in grün-weißer Kleidung, der den kleinen Raum betreten hatte, verbeugte sich tief, bevor er auf die Knie fiel. Madic, einer der höheren Diener im Palast mit länglichem Gesicht, besaß eine prahlerische Würde, die er selbst jetzt zu bewahren versuchte. Moridin hatte Männer, die weitaus höher standen, sich weitaus schlechter präsentieren sehen. »Großer Meister, ich habe erfahren, was die Aes Sedai heute Morgen in den Palast geführt hat. Es heißt, sie hätten einen großen, in alten Zeiten verborgenen Schatz gefunden, Gold und Juwelen und Herzstein, Gegenstände von Shiota und Eharon und sogar vom Zeitalter der Legenden. Es sollen Dinge darunter sein, welche die Eine Macht benutzen. Es heißt, eines könnte das Wetter beherrschen. Niemand weiß, wohin sie gehen, Großer Meister. Der Palast erbebt vor Gerede, aber zehn Zungen nennen zehn verschiedene Ziele.«
Moridin betrachtete erneut den Stallhof unter sich, noch während Madic sprach. Lächerliche Geschichten von Gold und Cuendillar interessierten ihn nicht. Nichts würde ein Wegetor so dahinschmelzen lassen. Es sei denn … Konnte sie das Gewebe tatsächlich aufgelöst haben? Der Tod ängstigte ihn nicht. Er erwog kaltblütig die Möglichkeit, in Sichtweite eines sich auflösenden Gewebes gewesen zu sein. Eines Gewebes, das erfolgreich vernichtet worden war. Durch diese Unmöglichkeit wurde noch eine weitere eröffnet …
Eine Bemerkung Madics errang seine Aufmerksamkeit. »Das Wetter, Madic?« Die Palasttürme warfen kurze Schatten, und keine Wolke schirmte die brütende Stadt ab.
»Ja, Großer Meister. Der Gegenstand wird die Schale der Winde genannt.«
Der Name sagte ihm nichts. Aber … ein Ter’angreal zur Beherrschung des Wetters … In seinem Zeitalter war das Wetter mithilfe von Ter’angrealen sorgfältig reguliert worden. Eine der Überraschungen dieses Zeitalters – anscheinend eine der geringeren – war gewesen, dass es Menschen gab, die das Wetter in einem Umfang
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