JULIA VALENTINSBAND Band 19
PROLOG
Isabelle Girard, besser bekannt als die berühmte Wahrsagerin Madame Karma, saß an ihrem Tisch und beobachtete die Menschen, die über den geräumigen Innenhof des Einkaufszentrums schlenderten. Es war ein perfekter Tag im südlichen Kalifornien: Fairfax, das frisch renovierte Shopping-Center in Baxter Hills am Rande der Stadt, wurde neu eröffnet, die Sonne strahlte vom Himmel, mit anderen Worten – diesen Valentinstag musste man einfach draußen feiern. Die Party war in vollem Gange, und die Leute amüsierten sich offenbar prächtig. Menschen jeden Alters, Familien mit Kindern, Paare, Singles und Teenager in Gruppen spazierten über die blumengesäumten Wege und die sorgfältig getrimmte Rasenfläche. In den Cafés oder an den zahlreichen Ständen der umliegenden Restaurants gab es jede Menge Köstlichkeiten. Viele trugen eine Einkaufstasche des Fairfax-Centers in der Hand, während andere kleine Kunstwerke wie ein Bild oder eine Keramikvase bei einem der Händler erstanden hatten. Jongleure, Visagisten, Zauberer und auch Madame Karma sorgten für Unterhaltung und festliche Stimmung. In der Ecke des Innenhofes gab es sogar eine Band und ein kleines Parkett, auf dem die ersten Paare bereits tanzten.
Isabelle seufzte zufrieden. Es war eine willkommene Abwechslung, ihr Können auch einmal bei einer solchen Veranstaltung anzubieten. Nicht nur, weil es zusätzliche Einnahmen für sie bedeutete, sie konnte damit auch ihren Kundenstamm erweitern, denn schließlich sollte es doch noch mehr Menschen geben, die sich die Zukunft vorhersagen lassen wollten, als die, die bereits zu ihr kamen. Madame Karma liebte es, sich draußen aufzuhalten und den engen Räumen zu entkommen. Die frische Luft und die Sonne wirkten wie eine Verjüngungskur. Sie ließ sich die strapazierte Seele ein bisschen massieren und konnte wieder auftanken. Schließlich schaute sie schon seit mehr als vierzig Jahren in die Zukunft der verschiedensten Menschen, und es konnte nicht schaden, ab und zu den Standort zu wechseln.
Ihr Blick fiel auf den großen Brunnen in der Mitte des U-förmigen Innenhofes, wo das Wasser als Fontäne in die Luft sprühte. Im Sonnenschein glitzerten die Tröpfchen in allen Farben des Regenbogens, als sie über die Kaskade ins Becken hinunterperlten. Rundherum prangte ein Meer von bunt blühenden Blumen, und sauber gestutzte, dunkelgrüne Hecken säumten das Gelände. Zahlreiche schmiedeeiserne Bänke verteilten sich über den Hof, manche standen in der Sonne, andere im Schatten der aufragenden Ulmen. Für Besucher des Shopping-Centers, die sich ausruhen und etwas essen wollten, oder für die Angestellten in den Büros der oberen Stockwerke war es der ideale Ort für eine kleine Mahlzeit an der frischen Luft.
Und der ideale Platz für verliebte Paare, wenn man beobachtete, wie viele Verliebte heute eng beieinander auf der Bank saßen. Aber schließlich war es Valentinstag, der Tag der Verliebten.
Isabelle ließ den Blick auf einem Paar ruhen, beide mochten so ungefähr vierzig Jahre alt sein. In einem solchen Moment schien es, als ob sie ihre inneren Energien fließen ließ und mit der Seele anderer Menschen Kontakt aufnahm. Sie spürte die tiefe Liebe, die die beiden füreinander empfanden. Isabelle konzentrierte ihre kosmische Energie auf das Paar, und sie lächelte, als ihr bewusst wurde, warum die beiden so glücklich waren: Das lang ersehnte Baby war unterwegs. Madame Karma hoffte, dass die beiden zu ihr an den Tisch kommen würden, damit sie ihre Ahnung bestätigen konnte.
Sie erprobte ihre Fähigkeiten an zahlreichen anderen Partygästen. Einige besaßen eine starke Aura und riefen heftige seelische Reaktionen in ihr hervor. Wieder hoffte sie, dass diese Menschen sich die Zeit nehmen und zu ihr an den Tisch kommen würden. Vielleicht lag es am Valentinstag oder an der heutigen Planetenkonstellation oder an beidem, aber sie hatte das tiefe und deutliche Gefühl, dass Liebe in der Luft lag. Ihrer Erfahrung nach gab es viele Menschen, die mit aller Macht gegen ihr Schicksal kämpften. Die nicht an das Schicksal glaubten. Oder an das Karma. Die einfach vorbeiliefen und lieber ihren Vorurteilen folgten, als das Glück beim Schopfe zu packen. Die ihre Aufmerksamkeit Menschen widmeten, die sie auf lange Sicht nicht glücklich machen würden, obwohl die Person, die perfekt zu ihnen passte, oft genau vor ihrer Nase stand.
Wie dumm die Leute sein konnten. Wenn sie doch nur ihr Karma akzeptieren und den Weg gehen
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