Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
Avharin-Markt, mit einem langen Schenkraum mit Holzbohlendecke, in dem zu viele rechteckige Tische standen. Selbst mittags war kaum mehr als einer von fünf Tischen besetzt; gewöhnlich waren es ausländische Händler, die Frauen mit gedeckten Farben und Haarknoten oben auf dem Kopf oder im Nacken gegenübersaßen. Die Frauen waren ebenfalls Kauffrauen oder Bankiersfrauen; in Far Madding war das Bankenwesen und der Handel Männern verboten. Alle Ausländer im Schenkraum waren Männer, da die Frauen unter ihnen den Frauenraum benutzten. Der Duft gedünsteten Fischs und gebratenem Lamms erfüllte die Luft, und gelegentlich befahl ein Ruf von einem der Tische einen der Diener heran, die im hinteren Teil des Raums in einer langen Reihe warteten. Ansonsten dämpften die Händler und Bankiersfrauen ihre Stimmen. Der draußen fallende Regen war lauter.
»Seid Ihr sicher?«, fragte Rand und nahm die zerknitterte Zeichnung von dem Diener zurück, den er auf die Seite gezogen hatte.
»Ich glaube, er ist es«, sagte der Bursche unsicher und wischte sich die Hände an der langen, mit einem aufgestickten gelben Wagenrad versehenen Schürze ab. »Es sieht ihm ähnlich. Er müsste bald zurück sein.« Sein Blick schoss an Rand vorbei und er seufzte. »Ihr solltet lieber etwas zu trinken bestellen oder gehen. Frau Gallger mag es nicht, wenn wir reden statt zu arbeiten. Und es würde ihr gar nicht gefallen, wenn ich über ihre Gönner rede.«
Rand sah über die Schulter. Eine schlanke Frau, die einen großen Elfenbeinkamm in den Haarknoten an ihrem Hinterkopf gesteckt hatte, stand in dem gelb gestrichenen Torbogen, der zum Frauenraum führte. So wie sie den Blick durch den Schenkraum schweifen ließ, konnte sie nur die Wirtin sein – einerseits war sie wie eine Königin, die ihr Reich betrachtete, andererseits eine Bäuerin, die ihre Felder begutachtete. Und keine von beiden war von dem dürftigen Geschäft begeistert. Als ihr Blick auf Rand und den Diener fiel, runzelte sie die Stirn.
»Gewürzten Wein«, sagte Rand und gab dem Mann ein paar Münzen, Kupfer für den Wein und eine Silbermark für seine Informationen, so unsicher sie auch waren. Seit er Rochaid getötet hatte und Kisman entkommen war, war mehr als eine Woche vergangen, und nach all diesen Tagen war es das erste Mal, dass er beim Vorzeigen der Zeichnungen mehr als ein Schulterzucken oder ein Kopfschütteln erhalten hatte.
Es standen ein Dutzend leerer Tische zur Auswahl, aber er wollte im vorderen Teil des Raums in der Ecke sitzen, wo er jeden Eintretenden sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden, und als er sich seinen Weg zwischen den Tischen suchte, bekam er Bruchfetzen diverser Unterhaltungen mit.
Eine hochgewachsene blasse Frau in dunkelgrüner Seide antwortete einem Mann in einem eng sitzenden, schwarzen tairenischen Mantel mit einem Kopfschütteln. Der eisengraue Haarknoten ließ sie von der Seite etwas wie Cadsuane aussehen. Der Mann verzog keine Miene, aber sein dunkles, kantiges Gesicht schien besorgt. »Ihr braucht Euch über Andor keine Sorgen mehr zu machen, Meister Admira«, sagte sie beruhigend. »Glaubt mir, die Andoraner werden herumbrüllen und sich gegenseitig mit den Schwertern drohen, aber sie werden es niemals zum Kampf kommen lassen. Es liegt in Eurem Interesse, für Eure Waren die derzeitige Route zu behalten. Cairhien würde Euch ein Fünftel mehr Steuern berechnen als Far Madding. Denkt nur an die zusätzlichen Kosten.« Der Tairener furchte die Stirn, als würde er daran denken. Oder sich fragen, ob seine Interessen wirklich mit den ihren übereinstimmten.
»Ich habe gehört, die Leiche wäre schwarz angelaufen und aufgebläht gewesen«, sagte an einem anderen Tisch ein schlanker, weißbärtiger Illianer in einem dunkelblauen Mantel. »Ich habe gehört, dass der Rat befohlen hat, sie zu verbrennen.« Er hob bedeutungsvoll die Brauen und tippte sich an die spitze Nase, die ihm das Aussehen eines Wiesels verlieh.
»Falls es in der Stadt eine Seuche geben sollte, Meister Azereos, hätte der Rat es bekannt gegeben«, sagte die zierliche Frau, die ihm gegenübersaß. Mit den beiden reich verzierten Elfenbeinkämmen in ihrem aufgerollten Haar sah sie auf ein fuchshafte Weise hübsch aus; dabei wirkte sie so kühl wie eine Aes Sedai, allerdings hatte sie in den Winkeln ihrer braunen Augen kleine Fältchen. »Ich rate Euch wirklich davon ab, auch nur Teile Eures Handels nach Lugard zu verlagern. In Murandy herrscht große Unruhe. Die
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