Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan
wartet und dass die Tat, die er gerade ausfuhrt, sein letztes Gefecht auf Erden sein kann. Er nennt sie Gefecht, weil sie ein Kampf ist. Die meisten Menschen schreiten kampflos und gedankenlos von Tat zu Tat. Ein Krieger hingegen bewertet jede Tat. Und da er mit seinem Tod auf vertrautem Fuß steht, handelt er wohl überlegt, als sei jede Tat sein letztes Gefecht. Nur ein Narr wird nicht bemerken, welchen Vorteil ein Jäger-Krieger vor seinen Mitmenschen hat. Ein Jäger-Krieger zollt seinem letzten Gefecht die gebührende Achtung. Es versteht sich von selbst, dass seine letzte Tat auf Erden seine beste sein sollte. So ist es gut, und es nimmt seiner Furcht den Stachel.
Ein Krieger ist ein untadeliger Jäger, der auf Macht ausgeht. Er ist weder trunken noch verrückt, auch hat er weder Zeit noch Neigung, zu bluffen oder sich selbst zu belügen oder einen falschen Schritt zu tun. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Was auf dem Spiel steht, ist sein klares, geordnetes Leben, das zu straffen und zu vervollkommnen er so lange brauchte. Er wird es nicht wegwerfen, indem er einen dummen Irrtum begeht, indem er etwas mit etwas anderem verwechselt.
Ein Mensch, jeder Mensch, verdient all das, was des Menschen Schicksal ist, Freude, Traurigkeit und Mühe. Welcher Art seine Taten sind, ist unwichtig, solange er sie als Krieger tut. Ist sein Geist aus dem Lot, sollte er ihn einfach reparieren - ihn läutern, ihn vervollkommnen -, weil es im Leben keine Aufgabe gibt, die lohnender wäre. Nicht den Geist zu reparieren heißt den Tod suchen, und das ist dasselbe wie nichts zu suchen, denn der Tod wird uns ohnehin einholen, egal wie und wann. Die Vervollkommnung des Krieger-Geistes zu suchen ist die einzige Aufgabe, würdig unserer Vergänglichkeit, unseres Menschseins.
Das Schwerste auf der Welt ist es, sich in die Stimmung eines Kriegers zu versetzen. Es hat keinen Sinn, traurig zu sein und zu klagen - und sich dazu berechtigt zu fühlen im Glauben, dass immer irgendjemand uns irgendetwas angetan hat. Niemand tut jemandem etwas an, am wenigsten einem Krieger.
Ein Krieger ist ein Jäger. Er kalkuliert alles. Das ist seine Kontrolle. Sobald er seine Kalkulation abgeschlossen hat, handelt er. Er lässt los. Das ist seine Hingabe. Ein Krieger ist kein Blatt im Wind. Niemand kann ihn herumstoßen; niemand kann ihn zwingen, etwas gegen seinen Willen oder gegen seine bessere Einsicht zu tun. Ein Krieger ist auf Überleben eingestellt, und er überlebt auf die bestmögliche Art.
Ein Krieger ist nur ein Mensch, ein demütiger Mensch. Er kann die Pläne seines Todes nicht ändern. Aber sein makelloser Geist, der nach ungeheuren Mühen Kraft aufgespeichert hat, kann gewiss den Tod einen Moment aufhalten, lange genug, um ein letztes Mal frohlockend seiner Kraft zu gedenken. Man könnte sagen, dies ist eine Geste des Todes gegenüber denen, die einen makellosen Geist haben.
Es spielt keine Rolle, wie man erzogen wurde. Entscheidend für die Art, wie man etwas tut, ist die persönliche Kraft. Ein Mensch ist nur die Summe seiner persönlichen Kraft, und diese Summe entscheidet darüber, wie er lebt und wie er stirbt.
Persönliche Kraft ist ein Gefühl. Etwas wie Glücklichsein. Oder man könnte es eine Stimmung nennen. Persönliche Kraft ist etwas, das man durch einen lebenslangen Kampf gewinnt.
Ein Krieger handelt, als wüsste er, was er tut, auch wenn er in Wirklichkeit nichts weiß.
Ein Krieger bereut nichts, was er getan hat, denn die eigenen Taten als böse, hässlich oder schlecht herauszustellen, heißt, dem eigenen Selbst eine ungebührliche Bedeutung beizumessen.
Der Trick besteht darin, was wir in den Vordergrund stellen. Entweder wir machen uns elend, oder wir machen uns stark. Der Arbeitsaufwand ist der gleiche.
Die Leute sagen uns seit dem Tag unserer Geburt, die Welt sei so und so beschaffen, und natürlich haben wir keine Wahl, als zu akzeptieren, dass die Welt so ist, wie die Leute es uns sagen.
Es ist die Kunst des Kriegers, den Schrecken, ein Mensch zu sein, und das Wunder, ein Mensch zu sein, im Gleichgewicht zu halten.
Kommentar
Zu der Zeit, als ich Reise nach Ixtlan schrieb, herrschte in meiner Umgebung eine höchst geheimnisvolle Stimmung. Don Juan verhängte einige äußerst schwer wiegende Maßnahmen über mein tägliches Verhalten. Er hatte mir gewisse Handlungsweisen vorgeschrieben, die ich streng befolgen sollte. Er hatte mir drei Aufgaben gestellt, die nur entfernten Bezug zu meiner alltäglichen Welt
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