Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
merkte plötzlich, daß die Brosche
weg war. Wäre Beth eine logisch denkende Person gewesen, dann hätte sie das
nicht weiter unglücklich gemacht: Denn soeben noch hatte sie ja gewünscht, daß
Bruce sie ihr lieber gar nicht geschenkt hätte. (»Aber du bist ja vollkommen
unvernünftig. Du kennst die Bedeutung des Wortes Logik überhaupt nicht!« Das
war wieder Bill. Komisch, wie gerade seine am wenigsten schmeichelhaften
Bemerkungen ihr immer wieder einfielen!)
Doch die Brosche war weg. Und
es kam Beth zum Bewußtsein , daß sie wirklich kostbar
war, ein reizendes Andenken an eine glückliche Freundschaft. Sie blickte auf
die um sie herumwimmelnde Menge. Kein Schimmer von ihrer Brosche unter diesen
dahintrampelnden Füßen. Vielleicht hatte sie sie im Warteraum verloren? Sie
eilte zurück und fragte ein paar Frauen, die da herumstanden. Keine von ihnen
hatte etwas gesehen.
Sie dachte: Sie muß mir
irgendwo da draußen in der Menge heruntergefallen sein. Ach ja, irgendwie ist
sie verlorengegangen. Nun war es höchste Zeit, an Bord der Maschine zu gehen.
Nachdenklich ging sie hinaus. Es war kein besonders fröhliches Ende dieser wunderschönen
vierzehn Tage: kein Bruce und keine Brosche!
Eine Berührung an ihrem Arm,
als sie gerade durch die Tür schlüpfen wollte, ließ sie sich rasch umdrehen.
Doch Bruce noch?! Aber es war nur ein kleiner Hawaiianerjunge ,
der ihr zulächelte und sagte: »Haben Sie das verloren, Fräulein? Ich hab’s für
Sie gefunden«, und da lag tatsächlich ihre Brosche in seiner dunklen
Handfläche. Beth war außer sich vor Freude. Im Nu war ihre Niedergeschlagenheit
verflogen. Auch sie lächelte den Jungen an.
»Oh, ich danke dir.« Schnell
öffnete sie ihr Geldtäschchen. Er grinste freundlich, griff nach der Münze und
verschwand sofort in der Menge, gerade in dem Moment, als alle Passagiere zum zweitenmal aufgefordert wurden, an Bord zu gehen.
Sie schloß sich dem
Menschenstrom an. Noch einmal warf sie einen Blick in die Runde. Nein, Bruce
hatte sie im Stich gelassen. Ach ja, Bill würde bestimmt sagen: »Was erwartest
du eigentlich von einem Kerl, den du da so zufällig an einem fremden Ort
kennengelernt hast?« In dem Augenblick erhob sich ein lautes Geschrei am Rande
des Rollfeldes, und sie konnte einen Mann sehen, der sich durch die Sperre
kämpfte. Aber nein, nein, es war nicht Bruce. Sie wandte sich schnell zurück,
der steilen Treppe zu, wobei sie einen jungen Mann anrempelte, der vor ihr
stand. »Oh, es tut mir leid«, sagte sie. Der junge Mann wandte sich um und
schaute um sich. Als er Beth sah, meinte er: »Ach, macht nichts«, und dann
lächelte er. So wirkte sie eben auf die Leute.
Als die Stewardess ihr ihren
Platz anwies, freute sie sich, den jungen Mann auf dem Platz neben sich zu
finden. Und weil sie eine freundliche Person war, die nicht so leicht durch
Schaden klug wurde, lächelte sie ihn an. Natürlich, kaum war das Flugzeug
gestartet, da plauderten sie schon miteinander, als kennten sie sich wer weiß
wie lange. Bill hätte sicher bemerkt: »Wieder eine von Beths aufgelesenen
Reisebekanntschaften.«
»Ja, ich bin Neuseeländer. Ich
lebe auf einer Schaffarm.«
»Oh, ich auch.« Das schien
ihnen beiden ein ganz unglaubliches Zusammentreffen im Lande der Schafzüchter
zu sein.
»Meine Mutter wird mich
bestimmt abholen, und vielleicht meine Brüder ebenfalls.«
Sie erwähnte nicht, daß
wahrscheinlich auch Bill dasein würde. Sie hatte
absolut keine Lust, Bill vorzuzeigen, der so ein einsilbiger, nüchterner, ein
so schrecklich realistischer Verehrer war.
Beths Gedanken wandten sich
eifrig ihrer Familie und ihrem Zuhause zu. Sie führte ein sehr glückliches
Leben, obwohl sie keinen Vater hatte. Ernst Sutherland war vor zehn Jahren gestorben,
und Beth, damals ein Kind von dreizehn Jahren, dachte heute nicht mehr sehr oft
an ihn. Alice Sutherland war beides für sie gewesen, Vater und Mutter.
Als Beth an ihre Mutter dachte,
hellte sich ihr Gesicht auf, und ein kleines Lächeln spielte um ihren
entzückenden Mund. Alice war eine Mutter, mit der man sehr zufrieden sein
konnte. Sie war auch als Farmerin sehr tüchtig. Als echtes Landkind besaß sie
beträchtliche Kenntnisse in der Viehzucht und in der Leitung einer Farm. Aus
diesem Grund war sie nie ernsthaft in Schwierigkeiten geraten, und sie hatte
immer einen bescheidenen, aber ausreichenden Ertrag erwirtschaftet.
Aber zum guten Teil war das
auch das Verdienst ihres Vaters. Schweigend und tapfer hatte er der
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