Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
und
ratterte erbarmungslos über die holprige Straße.
Über welche Straße? Wo war sie,
und warum wurde sie auf diese seltsame Weise weggefahren? War sie entführt
worden? Aber das war doch unmöglich! Wer sollte sie denn entführen — sie, Beth
Sutherland? Und warum? Leute wurden wegen Geldes entführt. Aber so gut es um
die Sutherland-Farm stand, es war doch sehr zweifelhaft, ob ihre Mutter
plötzlich einen Scheck über tausend Pfund ausschreiben oder sonst irgendwie
Geld auftreiben konnte.
Wenn sie bloß wüßte, wohin sie
fuhren! Sie kniete sich hin und tastete sorgfältig die Seiten des Wagens ab.
Nirgends eine Öffnung, kein Fenster. Nur im Fußboden war ein Spalt, durch den
sie ein klein wenig Tageslicht sehen konnte. Es war hoffnungslos. Sie sah nur
einen winzigen Ausschnitt der Straße, sonst nichts.
Sie suchte in den Taschen ihrer
Reithose; manchmal hatte sie ein Taschenmesser bei sich. Wenn sie es heute
dabei hätte, dachte sie, könnte sie das Loch damit vielleicht vergrößern. Aber
wozu sollte das taugen? Außerdem: sie hatte gar kein Messer bei sich. Sie fand
nichts als einen Bleistift und den Block grünes Papier, den sie mitgenommen
hatte, um die Geschenkliste aufzustellen.
Wenn sie es doch bloß
fertigbrächte, eine Nachricht auf das Papier zu schreiben und es durch den
Spalt zu schieben! Sie versuchte es, aber es war zu dunkel, der Wagen ruckelte
zu sehr, und ihr war ganz schwindelig. Ihr war es unmöglich, die Hand ruhig zu
halten, um zu schreiben. Sie gab es auf und legte sich erschöpft zurück.
Dann kam ihr ein neuer Gedanke.
Sie konnte wenigstens das Papier in kleine Stücke reißen und durch das Dach
fallen lassen. Dafür war es groß genug. Wenn sie wirklich entführt worden war
und man anfing, nach ihr zu suchen — und Beth war überzeugt, daß der ganze
Bezirk sich an dieser Suche beteiligen würde-, dann würden diese grünen
Papierschnipsel vielleicht irgend jemandem auffallen.
Wie bei einer Schnitzeljagd... Beth riß eine Ecke des Papiers ab und steckte es
durch das Loch. Es traf sie wie ein Schlag, als sie sich ihrer Lage so richtig
bewußt wurde, und einen Augenblick lang überfiel sie panischer Schrecken. Die
dumpfe Luft im Wagen, ihre Kopfschmerzen, die schreckliche Angst — das alles
zusammen machte sie fast wahnsinnig, so daß sie in einem Anfall von Raserei
gegen die Wände des Fahrzeugs hämmerte und zu schreien anfing: » Laßt mich raus! Was macht ihr mit mir? Laßt mich raus!!«
Aber nichts geschah. Der
klappernde Wagen fuhr weiter. Ihre Hände waren wund und taten weh. Ihre Kehle
war ganz trocken. Sie fiel auf den Fußboden zurück und ergab sich der
Verzweiflung.
Sie lag nur ein paar Minuten
da, aber Beth kam es unendlich lange vor in dem hin und her geschleuderten
Wagen. Plötzlich setzte sie sich auf und sagte laut: »Sei doch kein Dummkopf!
Sie können dir doch nichts tun! Es ist irgendein blöder Spaß. Aber du kannst ja
ruhig weiter Papierschnipsel durch das Loch werfen. Das kann niemandem schaden,
und vielleicht nützt es doch etwas. Bill könnte es sehen. Oder Hauptmann Hillford auf der Suche nach mir. Irgend
jemand könnte auf diese Papierschnipsel aufmerksam werden.« Und
planmäßig begann sie wieder, ein kleines Papierstückchen nach dem anderen durch
das Loch zu stecken.
Wie oft wollte sie das machen?
Sie mußte sparsam mit dem Papier umgehen! Wenn die Fahrt länger dauern sollte,
würde das Papier nicht reichen! Aber die Papierstückchen mußten auch groß genug
sein, damit man sie sehen konnte, wenn man nach ihr suchte. Sorgfältig ließ sie
ein dünnes Papierstückchen nach dem anderen durch das Loch schlüpfen.
Nicht zu oft, und nicht zu weit
auseinander. Sie arbeitete sehr sorgfältig. Wenn sie nur eine Vorstellung
hätte, wie lange das Papier reichen mußte. Aber sie konnte nur ihr Bestes tun
und auf einer möglichst langen Strecke eine Spur legen. Einem ganz großen Glück
hatte sie es zu verdanken, daß sie erst ein paar Minuten, bevor der Wagen
rumpelnd zum Stehen kam, den letzten Schnipsel durch das Loch fallen ließ.
Jetzt endlich würde sie
erfahren, was los war. Jetzt mußten sie sie rauslassen und ihr sagen, was für
einen Wahnsinn sie sich ausgedacht hatten. Damit kam die große Angst vor dem,
was sich enthüllen würde, wenn die Tür aufging, vor dem, was dies alles
bedeutete, vor allem vor der Nacht und vor diesen Männern, die sie von ihrem
Pferd gerissen und eingesperrt hatten.
Zitternd duckte sie sich auf
den Fußboden, fast
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