Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
sich nieder und fing
an, die Steine in den Fluß zu werfen, wobei er versuchte, sie springen zu
lassen, wie er es als kleiner Junge gelernt hatte. Durch diese Spielerei fühlte
er sich gleich bedeutend besser. Er bekam wieder Speichel in den Mund, und auf
einmal fing er an, einen Choral zu pfeifen. Es kam ihm ja selbst recht
unpassend vor, aber Beth würde die Melodie bestimmt erkennen. Laut und ziemlich
falsch pfiff er: »Befiehl du deine Wege...«
Er brachte tatsächlich einen
ganzen Vers zustande. Dann sah er sich ganz langsam und wie zufällig nach dem
Gasthaus um. Keine Tür hatte sich geöffnet, kein dunkles Gesicht starrte aus
einem Fenster auf ihn herunter. Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung
stand Jerry auf und bestieg sein Pony. Ganz gemächlich ritt er an dem Haus vorbei
und auf die Straße hinaus und dachte nur immer wieder: Wird jetzt jemand um die
Ecke kommen? Soll ich nicht lieber losgaloppieren?
Schließlich lenkte er Maus auf
den grünen Randstreifen an der Straße und klatschte es leicht auf die Schulter.
Das Pony fiel in einen leichten Galopp, dann in Trab, und plötzlich wurde Jerry
ganz wild vor Aufregung. Er hatte es getan! Er hatte Beth gefunden und hatte
ihr zu verstehen gegeben, daß man sie retten würde. Und die dumme Polizei hatte
die Fährte noch immer nicht aufgenommen.
Er ritt drauflos, durch den
Nebel, der wieder dicht und undurchdringlich geworden war, so dicht, daß er
fast mit dem Polizeiwagen zusammenstieß, ehe er ihn richtig sah. Da zog er den
Zügel an und hätte am liebsten losgeheult.
14
Beth erwachte aus schwerem
Schlaf, als die winterliche Morgendämmerung durch die Spalten der Fenster
hereinschimmerte. Sie blickte sich indem öden, schmutzigen Raum um und
betrachtete den Stuhl und den wackeligen Tisch mit den Resten der Mahlzeit, die
man ihr gestern abend gebracht hatte. In dem leeren
Krug war der Tee mit dem Schlafmittel gewesen. Beth griff sich an den
schmerzenden Kopf und mußte daran denken, wie recht Bill doch mit seiner
Meinung über Schlaftabletten hatte.
Sie schaute auf ihre Uhr, aber
sie hatte natürlich vergessen, sie aufzuziehen. Sie war stehengeblieben. Es
mußte wohl gegen sieben Uhr sein. Sie legte sich zurück und überdachte Stück
für Stück den ganzen vorigen Tag. Sie sah wieder die beiden Männer auf der
Straße vor sich, die so plötzlich auf sie zugestürzt waren, und sie erlebte ein zweitesmal die Fahrt in dem dumpfen kleinen
Lieferwagen. Später hatte sie den größeren Mann als einen der Männer
wiedererkannt, die am Morgen des Basars versucht hatten, ihr an der Tür Bücher
zu verkaufen. Mit dem Basar hatte überhaupt das ganze Unglück angefangen, der
Zusammenstoß mit Vida Cox wegen der Brosche und dann ihr Tod — der Mord.
Irgendwie hing das alles zusammen — Beth wurde für ein paar Minuten wieder von
einer panischen Angst ergriffen. Nur mit großer Anstrengung gelang es ihr,
weiter vernünftig nachzudenken. Sie war entführt worden — warum, war ihr
vollkommen schleierhaft. Aber auf der Fahrt zu diesem unbekannten Haus was es
ihr gelungen, eine Fährte von winzigen Papierstückchen auszulegen — ein armseliger
Versuch zu einer Art Schnitzeljagd! Aber jemand würde doch die Spur vielleicht
entdecken, Bill höchstwahrscheinlich, oder vielleicht Alec oder Jerry. Ihre
Mutter sagte immer, daß Jerrys scharfen Augen nichts entginge, besonders wenn
es etwas Eßbares wäre.
Bei dem Gedanken an ihre Mutter
kamen Beth die Tränen. Wie furchtbar mußte dieses Warten für sie sein! Jetzt
würden sie bestimmt schon alle nach ihr suchen. Wenn sie keine Spur von ihr
entdeckten, würden sie vielleicht nach dem Polizeiinspektor schicken, der in
Vidas Hotel war. Die Vorstellung, wie die Polizei und die Nachbarn die ganze
Gegend durchstreiften, um sie zu suchen, tröstete Beth ein wenig. Wenn sie nur
wüßte, wo sie war, wie lange sie bewußtlos in dem
Wagen gelegen hatte, wohin sie sie gebracht hatten!
Bald darauf öffnete sich die
Tür, und die beiden Männer traten ein. Ja, sie hatte recht — das waren die
beiden, die versucht hatten, ihr diese lächerlichen Heftchen anzudrehen. Ein
dunkles Gefühl sagte ihr, daß sie sich nicht anmerken lassen sollte, daß sie
sie wiedererkannt hatte; es war besser, wenn sie immer noch verwirrt und
benommen wirkte. Ohne erkennbares Interesse, aber innerlich starr vor Angst,
sah sie ihnen entgegen. O Bill, dachte sie, finde mich bloß bald! Komm schnell!
Der Große redete sofort auf sie
ein:
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