Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
mit Bruce verband — mit Bruce und seinem hübschen Gesicht, seinem fröhlichen Lachen. Sie tat, was sogar Bill als klug und anständig bezeichnen würde: Sie schrieb auf ein kleines Schild »5 S« und befestigte es an der Hibiskus-Brosche.
Kaum hatte sie sie in das Regal gelegt, als sie eine leichte Unruhe in der kleinen Gruppe vor ihrem Stand gewahrte. Jemand machte die anderen im Flüsterton auf etwas aufmerksam, ein zweiter schaute mit ausgesprochener Mißbilligung um sich, ein dritter wandte mit deutlicher Ablehnung den Rücken zu, und als Beth erfahren wollte, was da los war, sah sie Vida Cox auf den Stand zuschießen, unbekümmert um die feindseligen Blicke der Frauen, die drum herumstanden.
Sie ist hübsch, gestand Beth sich widerwillig ein, und sie muß einmal fast schön gewesen sein. Bewundernswert bei ihrem Alter; denn sie muß doch fast vierzig sein. Aber was für harte Züge sie hat, und wie scheußlich gelb sie ihr Haar färbt!
»Guten Tag, Beth«, sagte Vida Cox mit leichter Anmaßung und deutlicher Gönnermiene. »Was ist das bloß für eine traurige Angelegenheit! Kaum etwas, das einen Kauf lohnt, und die Kuchen deiner Mutter sind schon alle ausverkauft. Und was ist das hier für eine erbärmliche Sammlung von Schmucksachen?!«
»Sie sind fast alle verkauft«, sagte Beth höflich abwehrend. »Sie hätten etwas eher kommen müssen, wenn Sie etwas wirklich Hübsches hätten kaufen wollen.«
»Ich bin eben mehr für die späten Stunden, nachts sowohl wie morgens; das werden Ihnen die Klatschbasen ja bereits erzählt haben.« Sie deutete herausfordernd mit dem Kopf auf die kleine Gruppe von Frauen, die sie heimlich beobachteten. »Und im Hotel ist ja auch immer schrecklich viel zu tun! Ich habe nur hergeschaut, weil man die Schule ja unterstützen soll, obwohl ich für mein Teil nicht weiß, warum; denn ich habe ja Gott sei Dank keine Gören da hinzuschicken.« Beth lächelte gewinnend und meinte: »Ich habe ja auch keine, wenn es darauf ankommt. Trotzdem stehe ich schon den ganzen Morgen in diesem verflixten Stand und versuche mir meine gute Laune zu bewahren und das Geld zu zählen.«
»Da sind Sie schön dumm«, erwiderte Vida grob. »Ah, diese Brosche da ist nicht ganz so lausig wie die übrigen Sachen. Sie ist nicht schlecht. Ich liebe solche roten Steine. Sie fallen auf. Wie sagen Sie dazu? Hibiskus, nicht wahr?«
Sie nahm Beths Brosche und hielt sie an ihr Kleid. Entgegen jeder vernünftigen Überlegung sträubte sich alles in Beth, daß ihre Brosche in diese Räuberhände kommen sollte. Sie wehrte sich gegen die Vorstellung, daß ausgerechnet Vida Cox die Brosche tragen sollte, die Bruce und sie an jenem sonnigen Tage mit so viel Spaß ausgesucht hatten. Schnell sagte sie: »O tatsächlich, die ist leider nicht zu verkaufen! Ich hatte sie nur eben hingelegt, damit die Auslage ein bißchen voller aussieht. Sie gehört in Wirklichkeit mir!«
Vida schüttelte den Kopf. »Das ist geflunkert, meine Liebe; denn da ist ja noch das Preisschild dran! Fünf Shilling — das ist so klar wie Kloßbrühe. Natürlich ist die zu verkaufen! Sie wollen sie nur nicht an mich verkaufen. Na, ist es nicht so? Geben Sie es nur zu. Vida Cox ist nicht gut genug, die Brosche zu tragen, die Ihnen Ihr Freund in Honolulu geschenkt hat — ich will wetten, daß Sie sie daher haben.«
Beth schoß das Blut ins Gesicht, aber sie behielt die Fassung. »Ja, ich habe sie aus Honolulu, aber ich habe es mir soeben mit dem Verkauf doch anders überlegt. Es war dumm von mir, sie in die Auslage zu legen. Würden Sie sie mir bitte zurückgeben, Mrs. Cox? Ich tue selbst fünf Shilling in die Kasse, damit alles seine Richtigkeit hat, nicht wahr?«
Doch Vida hatte bereits zwei Münzen hervorgekramt, und mit lauter werdender Stimme sagte sie: »Seine Richtigkeit? Absolut nicht! Das Ding ist zum Verkauf angeboten. Es ist mit 5 Shilling ausgezeichnet, und jetzt wollen Sie versuchen, mich hinters Licht zu führen. Ich kann mir denken, daß Sie darauf zählen, ich würde hier keine große Szene machen; aber ich kann Ihnen versichern...«
Ihre Stimme überschlug sich beinahe, und die Leute ringsherum drehten sich nach ihr um und starrten sie an. Beth blickte sich hilfesuchend um. Jeder, das fühlte sie, war auf ihrer Seite, aber keiner riskierte es, eine Auseinandersetzung mit der einflußreichen und skrupellosen Vida Cox anzufangen. Sie wollte es auch nicht darauf ankommen lassen, ihre Mutter in die Sache zu verwickeln, auf die
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