Das Rätsel der Rückkehr - Roman
allgemeinen Heiterkeit.
Ich halte mich ein wenig abseits,
will der Zeremonie beiwohnen,
ohne zu sehr zu stören.
Keiner bemerkt meine Anwesenheit.
Das soll ich jedenfalls glauben.
Doch ich kenne die Zurückhaltung
der Leute dieser Weltgegend inzwischen.
Ein Mann hat sich mir genähert mit den Manieren einer früheren Zeit. Es wäre uns eine große Freude, sagt er zu mir, Sie später unter uns zu begrüßen. Ich erfuhr dann, er hat bei der UNESCO als Übersetzer gearbeitet und ist nach seiner Pensionierung hierher zurückgekehrt. Dieses ständige Kommen und Gehen zwischen ländlicher und urbaner Welt hält die Verbindung zwischen Kultur und Agrikultur am Leben.
Das Haus, in dem man uns nach der Bestattung empfing, stand am Hang eines kahlen Hügels. Die Kinder rannten zusammen mit kleinen Zicklein unentwegt den Abhang hinunter. Um meine Kleider zu trocknen, habe ich mich in die Nähe eines großen Feuers gesetzt, wo Maiskolben unter der Asche geröstet werden. Ein kleines Mädchen mit einem hübschen blauen Kleid und aufgeweckten Augen bringt mir eine Tasse Kaffee. Zur Begrüßung macht sie einen leichten Knicks. Ich küsse sie auf die Stirn. Sie schaut mich groß an, bevor sie schnell wegrennt. Der vielsprachige Pensionär gesteht mir in einem Schwall von Spucke, er komme jetzt endlich dazu, die
Äneis
nochmal zu lesen.
Keiner hat mich gefragt,
woher ich komme, wohin ich gehe.
Meine Vergangenheit und meine Zukunft zählen gleich wenig.
Ich wurde in dieser ernsten Gegenwart angenommen,
ohne Rechnung abzulegen.
Der Sternenhimmel
lässt mich träumen
von den glühenden Abenden auf der Galerie
mit meiner Mutter,
und natürlich von Baudelaire,
dessen „Balkon“
war das Lieblingsgedicht meines Vaters.
Ich sehe auch die Picknicks wieder,
die Tante Ninine immer Anfang Juli gab.
Und andere kostbare Erinnerungen,
die mir heute das Gefühl geben,
als wäre diese Kindheit nur
ein einziger sonnenbeschienener Sommer gewesen,
wenn es auch manchmal regnete.
Nichts strahlt heller als die Sonne durch den Regen.
Ich fühle mich plötzlich so leicht.
Der Himmel ist nicht weiter entfernt
als dieses Bananenblatt,
das mein Kopf streift.
Ein Dandy stirbt als Dandy
Ich dringe in die Bananenpflanzung ein,
sie durchfließt ein Bach,
ich höre sein Rauschen zuerst
bevor ich im Dunkeln
den glänzenden Wasserrücken sehe
im Widerschein des Mondes.
Ich entdecke einen alten Mann,
der unter einem Bananenbaum schläft.
Welches Leben
hat er geführt,
um weiter so
im Traum zu lächeln?
Es war sicher anders als das Leben
des einstigen Ministers, der seine Nächte
in einem Museum verbringt, in dem die meisten Bilder
den ländlichen Rahmen darstellen,
in dem dieser Bauer schläft.
Der eine lebt im Traum des anderen.
Ich gehe wieder über den kleinen Friedhof.
Der Boden hat alles Wasser vom Himmel getrunken.
Die Toten hatten Durst,
aber noch lieber trinken sie Schnaps,
das Wasser des Lebens.
Ich musste nur den Kopf heben,
um Sirius zu sehen,
auf dem Hals vom Großen Hund.
Mit dem hellsten der Sterne
will ich die Nacht verbringen.
Ich setzte mich
in die Nacht
auf ein Grab,
um eine Zigarette zu rauchen.
In Gedanken bei meinem Vater.
Der Jugendliche, der gestern noch
fast nackt im Regen rannte
auf den Straßen von Baradères
hätte sein Leben beenden können
wie seine Schulkameraden,
die ihren Geburtsort nie verließen.
Und er hätte nie
dieses seltsame Schicksal gekannt.
Der Pfad aus niedergetretenem Gras überquert den Friedhof, um in einen steinigen Weg zu münden, der zur Landstraße führt. Es war der erste Pfad, den er nahm, um nach Port-au-Prince zu gelangen. Jahre später waren es Havanna, Paris, Genua, Buenos Aires, Berlin, Rom, die Metropolen der Welt. Am Ende New York, wo ich ihn vor kurzem ganz steif in dem schwarzen Alpaka-Anzug sah, mit einer wunderschönen Krawatte gleicher Farbe. Stets elegant gekleidet. Wie alle seiner Generation. Der einzige persönliche Zug: das zusammen gekniffene Lächeln deutet auf den letzten Schmerzkrampf hin.
Meine Mutter fragte mich lange aus,
um zu erfahren, was er bei seinem Begräbnis trug.
Jedes Detail seiner Toilette
war ihr wichtig.
Ich merkte mir nur seine Hände
und sein Lächeln.
Letztlich bleibt ein Dandy immer Dandy. Vor allem, wenn er nicht mehr auf sich achtet. Die Form kann sich ändern. Nie der Charakter. Wenn der Charakter sich nicht ändert, wusste der Jugendliche von Baradères schon alles. Alle Wege, die er später
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