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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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etwas gebeten hat.«
    »Und das wäre?«
    »Er hat mich ersucht, für ihn nach West Virginia zu reisen, ins dortige Staatsgefängnis. Ich sollte jemanden bei einer Anhörung zur vorzeitigen Haftentlassung vertreten. Das habe ich auch getan, mit Erfolg.«
    »Dieser Jemand, hat der auch einen Namen?«
    »Elizabeth Wilson. Aber die kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
    »Wieso nicht?«
    »Sie ist tot.«
    »Wie das?«
    »Ein halbes Jahr nach ihrer Entlassung hat sie sich in der kleinen hinterwäldlerischen Stadt, in der sie lebte, in einer Bar betrunken und sich von irgendwelchen fragwürdigen Subjekten aufreißen lassen. Ein paar von ihren Kleidern wurden im Wald gefunden. Blutverschmiert. Höschen, glaube ich. Ich weiß nicht, weshalb Ihr Vater der Frau helfen wollte, jedenfalls hat es nichts genützt.«
    Der Anwalt schien seine Nacktheit vergessen zu haben. Er stand auf, lief um den Schreibtisch herum und stieß, um das Gesagte zu unterstreichen, mit dem Finger in die Luft.
    »Ich hab ihn manchmal beneidet«, erklärte Smith. »Er war der einzige wahrhaft freie Mann, den ich je gekannt habe. Er konnte machen, was er wollte. Sich aufbauen, was er wollte. Der Mensch sein, der er sein wollte. Er konnte einfach sagen: Hier bin ich, was kostet die Welt?«
    »Haben Sie auch nur die leiseste Ahnung, in was für einer Welt er lebte?«
    Der Anwalt blieb mitten im Zimmer stehen. »Nein«, antwortete er.
    »Ein Alptraum«, erwiderte Jeffrey.
    Der Anwalt schwieg. Sein Blick fiel auf die Pistole in Jeffreys Hand.
    »Und?«, fragte er langsam. »Wie der Vater, so der Sohn?«

17. KAPITEL
Die erste Tür wird geöffnet
     
    Diana und Susan Clayton liefen die Gangway hinunter. In ihrem Handgepäck führten sie eine beträchtliche Anzahl von Medikamenten, einige Waffen, für die sie erstaunlicherweise eine Genehmigung erhalten hatten, und eine gehörige Portion Angst mit sich. Diana sah sich in dem Strom gut gekleideter Geschäftsreisender um, fühlte sich einen Moment lang angesichts der glitzernden Hightech-Lichter im Flughafen verwirrt und wurde sich bewusst, dass dies seit knapp fünfundzwanzig Jahren das erste Mal war, dass sie Florida verließ. Noch nie hatte sie ihren Sohn in Massachusetts besucht – und auch nie eine Einladung von ihm bekommen. Und da sie sich so wirkungsvoll vom Rest ihrer Familie abgekapselt hatte, hatte es auch sonst niemanden gegeben, den sie hätte besuchen können.
    Auch Susan war nicht oft verreist. In den letzten Jahren hatte sie es damit entschuldigt, ihre Mutter nicht allein lassen zu können. In Wahrheit jedoch führten sie ihre eigenen Reisen entweder in die intellektuelle Befriedigung der Spiele, die sie erfand, oder in die Einsamkeit ihres Flachboots auf seichtem Gewässer. Jeder Angelausflug war für sie ein einmaliges Abenteuer. Selbst wenn sie auf vertrauten Wassern reiste, war es jedes Mal anders und ungewöhnlich. Bei den Erfindungen ihres Alter Ego Mata Hari verhielt es sich ähnlich.
    Sie stiegen in Miami mit dem Gefühl ins Flugzeug, dem Endeeiner Geschichte näherzukommen, ohne bislang gewusst zu haben, dass sie darin eine Rolle spielten, und die dennoch ihr Leben auf unaussprechliche Weise beherrschte. Besonders Susan Clayton hatte die seltsame Aufregung eines Waisenkinds erfasst, seit sie wusste, dass der Mann, der sie verfolgte, ihr Vater war, und diese gespannte Erwartung hatte einen Teil der Ängste verdrängt:
Jetzt werde ich herausfinden, weshalb ich so bin, wie ich bin
.
    Doch je näher die dröhnenden Turbinen sie der Welt des Einundfünfzigsten Bundesstaates brachten, desto mehr schwand die Zuversicht, und als sie schließlich unweit von New Washington mit dem Landeanflug begannen und zur letzten Runde über dem Flughafen ansetzten, hüllten sie sich beide in Schweigen, während Zweifel an ihnen nagten.
    Wissen ist eine gefährliche Sache, dachte Susan. Selbsterkenntnis kann ebenso verletzen wie helfen.
    Auch wenn sie diese Ängste einander nicht eingestanden, waren sich beide der Spannung bewusst, unter der sie inzwischen standen. Besonders Diana mit dem mütterlichen Instinkt und der vagen Furcht vor allem, was sie nicht unmittelbar verstand, hatte das Gefühl, als wäre ihr Leben plötzlich brüchig geworden, als säßen sie fest, während ein Unwetter heraufzog, als versuchten sie verzweifelt, einen abgewürgten Motor anzuwerfen, und horchten gebannt auf den immer heftiger brüllenden Wind. Als das Fahrgestell auf die Landebahn traf und über den Boden holperte, schloss sie die

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