Das Rätsel
als wollte er die Pointe eines Witzes besonders betonen. »Heute gehen Sie nicht drauf, Boss, aber morgen und übermorgen sollten Sie darauf achten, wo Sie lang laufen. Heute haben Sie noch mal Schwein gehabt, können den nächsten Morgen erleben.« Der Mann lachte, griff langsam in die Lederjacke, zog ein großes Springmesser heraus und ließ es aufschnappen. Wieder grinste er und machte eine schneidende Bewegung in der Luft. Dann drehte er sich blitzschnell um und ging davon wie ein Mann, der wusste, dass sich für eine verpasste Gelegenheit jede Menge neue boten.
Jeffrey zielte weiter auf seinen Rücken, bemerkte aber, wie seine eigene Hand zitterte. Er erinnerte sich, dass er gezögert und somit tatsächlich Glück gehabt hatte, da Zögern den Tod bedeuten konnte. Er atmete einmal tief aus, und als er sah, dass der Mann in der Nacht verschwunden war, drehte er sich wieder zu dem Anwalt, der Sekretärin und dem Wachmann um.
Sie waren verschwunden, und Jeffrey rannte los, während er die wertvollen Sekunden verfluchte, die er verloren hatte. Er war vielleicht noch dreißig Meter vom Parkplatz entfernt, als er sah, wie die Scheinwerfer aller drei Fahrzeuge gleichzeitig eingeschaltet wurden.
Er lief langsamer und duckte sich in einen Schatten, ohne jedoch stehen zu bleiben. Er ließ die Waffe sinken und atmete bewusst langsam, um sein Herzklopfen zu beruhigen. Er zog die Schultern hoch und drückte das Kinn in die Brust. Er wollte weder erkannt werden noch unnötig Aufmerksamkeit auf sich lenken, indem er sich versteckte. Er beschloss, an dem Platz vorbeizugehen, und tröstete sich wie der Straßenräuber damit, dass sich morgen eine andere Gelegenheit bieten würde.
Während er noch dastand, kam der Truck des Wachmanns langsam mit brummendem Motor in Fahrt. Als er auf die Kontaktschiene rumpelte und damit das automatische Schiebetor öffnete, blieb er einen Moment stehen. Dann fuhr der Geländewagen hinaus, hielt am Rand des Bürgersteigs noch einmal an und fuhr schließlich mit quietschenden Reifen auf die Straße. Jeffrey erwartete, dass die anderen beiden Fahrzeuge in kurzem Abstand folgen würden, doch das taten sie nicht. Vielmehr erloschen die Lichter am Wagen der Sekretärin abrupt. Kurz darauf stieg sie aus. Ihr prüfender Blick wanderte nach links und rechts die Straße entlang, dann lief sie rasch zur Beifahrerseite des Anwaltsautos. Die Tür ging auf, und sie schlüpfte hinein.
Im selben Moment sprang Jeffrey, angetrieben von einem Drang, den er nie für möglich gehalten hätte, am Schiebetor vorbei auf den Parkplatz. Er presste sich mit dem Rücken an eine Ziegelwand und konnte nicht sagen, ob er gesehen worden war.
Er atmete mit einem langen Pfeifton aus.
Im Anwaltsauto konnte er die Umrisse zweier eng aneinandergeschmiegter Gestalten erkennen.
Er sah seine Chance und sprintete hinüber, froh, dass seine Muskeln auf die plötzliche Herausforderung zuverlässig reagierten. Wie ein Schnellläufer bewegte er die Arme mit und war an der Seite des Wagens, bevor der Anwalt und seine Sekretärin sich aus ihrem langen Kuss gelöst hatten. Im Bruchteil einer Sekunde wurden sie sich seiner Gegenwart bewusst und wichen entsetzt zurück; im nächsten Moment hatte er die Scheibe auf der Fahrerseite mit dem Kolben seiner Pistole eingeschlagen, so dass die Scherben über die beiden Liebenden flogen.
Die Frau schrie, der Anwalt brüllte irgendetwas Unverständliches und griff nach dem Schalthebel.
»Finger weg«, befahl Jeffrey.
Die Hand des Anwalts schwebte über dem Knauf, dann zog er sie zurück. Seine Stimme war vor Überraschung schrill und zittrig. »Was wollen Sie?«, fragte er. Die Sekretärin war vor dem Lauf von Jeffreys Pistole zurückgewichen, als könnte sich jeder Zentimeter Abstand als lebensrettend erweisen. »Was wollen Sie?«, wiederholte der Anwalt – in flehentlichem Ton.
»Was ich will?«, erwiderte Jeffrey bedächtig. »Was ich will?« Er spürte, wie ihm das Adrenalin in den Ohren pochte. Die Angst, die er in dem vorhin noch so arroganten Gesicht des Anwalts sah, und die Panik der adretten Sekretärin waren berauschend. In diesem Moment hatte er das Gefühl, sein Leben besser als je zuvor unter Kontrolle zu haben. »Was ich will, hätten Sie mir heute Morgen wesentlich einfacher und wesentlich höflicher geben können«, gab er kalt zurück.
Wie er schon vermutet hatte, verbarg sich im Eingangsbereich zum Anwaltsbüro noch eine zweite, versteckte Alarmanlage hinter der
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