Das Rätsel
war, daran zweifelte Diana keinen Augenblick. Er hatte sie nervös gebeten, den Hahn nicht gespannt zu lassen, da ein plötzlicher Aufprall des Chassis auf einem Stein ihren Finger am Abzug versehentlich bewegen könne, so dass die Magnum losging, doch sie hatte nur geantwortet: »Du solltest lieber vorsichtig fahren. Wäre doch schade, wegen einer Bodenwelle zu sterben.«
Curtin hatte den Mund geöffnet, dann aber geschwiegen. Er konzentrierte sich auf das Gelände, das vor ihnen im Scheinwerferlicht auftauchte.
Sie fuhren weiter, und der Wagen schaukelte auf dem rauhen Terrain wie ein Boot, das sich vom Anker losgerissen hat, im hohen Wellengang. Die Zeit schien im Dunkel zu verfließen. Diana horchte auf den Atem ihres früheren Mannes und erinnerte sich aus längst vergangenen Jahren an das Geräusch, wenn sie von Unentschlossenheit und Angst geplagt wachlag, während er schlief. Er war ihr vollkommen vertraut, so dass sie ihn selbst nach so vielen Jahren, nach so vielen Gesichtsoperationen und mit der ganzen Last des Bösen, das er der Welt gebracht hatte, immer noch vollkommen verstand.
»Wohin fahren wir?«, fragte er, als mehrere Stunden vergangen waren.
»Nach Norden«, erwiderte sie.
»Ödland«, meinte er. »Das ist im Norden. Die Piste wird nur schlimmer.«
»Wohin wolltest du?«
»Nach Süden«, antwortete er, und sie glaubte ihm.
»Gibt es noch eine Garage? Noch ein Fahrzeug, das du irgendwo versteckt hast?«
Curtin nickte mit einem verhaltenen, nervösen Grinsen. »Natürlich. Du warst schon immer schlau«, gestand er ihr zu. »Wir hätten ein äußerst effizientes Team sein können.«
»Nein«, widersprach sie, »hätten wir nicht.«
»Ja, du hast recht. Du warst immer zu schwach und hättest alles ruiniert.«
Diana schnaubte. »Und das habe ich auch getan. Dir alles ruiniert. Es hat mich nur fünfundzwanzig Jahre gekostet.«
Curtin nickte wieder. »Ich hätte dich umbringen sollen, als sich die Gelegenheit bot.«
Diana lächelte. »Also, wenn das nicht die Antwort eines Schwächlings und Feiglings ist. Der verpassten Gelegenheiten nachtrauern.«
Sie drückte ihm die Pistole fester ins Genick.
»Fahr«, befahl sie.
Sie warf einen heimlichen Blick aus dem Fenster. Der Wald war ausgedünnt, die Piste felsiger und staubiger, es gab mehr Gestrüpp. Im Osten kroch das erste schwache Licht über den Kamm der Berge. Sie schienen an Höhe gewonnen zu haben,das Gelände um sie herum wurde rauher. Der Wagen traf auf nacktes Schiefergestein, kam ins Schlingern, und sie hätte fast den Abzug gedrückt.
»Ich denke, das ist weit genug«, meinte Diana. »Halt an.« Curtin folgte ihrem Befehl.
Sie stiegen aus und machten sich auf den Weg durch das erste matte Grau des Sonnenaufgangs: Ehemann vorweg, die Frau ein paar Schritte hinter ihm, die Schusswaffe in der Hand. Diana sah am fernen Horizont einen rötlich gelben Streifen, und ihr Pfad war im ersten schwachen Morgenlicht bald deutlich zu erkennen.
Wortlos marschierten sie einen kleinen, felsigen Hügel hinauf, der sich über einer schmalen Schlucht erhob. Es schien ein verlassener Ort zu sein, bar jeden Lebens und fern jeder Zivilisation. Diana roch den Moder der Urzeit in der Luft, der mit dem frischen Hauch des neuen Tages kämpfte.
»Das reicht«, entschied sie. »Ich glaube, wir sind weit genug gekommen. Weißt du noch, wie es bei unserer Trauung hieß? Du hast es einmal in einem Brief geschrieben.«
Der Mann, den sie als Jeffrey Mitchell gekannt hatte und jetzt als Peter Curtin, blieb stehen und drehte sich zu seiner Exfrau um. Er antwortete nicht direkt auf ihre Frage, sondern sagte stattdessen: »Fünfundzwanzig Jahre.« Er lächelte. Das Grinsen eines Skeletts.
Er trat ein wenig näher, mit ausgebreiteten Armen, aber auch sprungbereit. »Es ist viel Zeit vergangen. Wir haben einiges durchgemacht. Es gibt eine Menge zu erzählen, nicht wahr?«
»Nein, gibt es nicht«, widersprach sie.
Und dann schoss sie ihm in die Brust.
Der Knall des Schusses schien in die Leere der Schlucht zu stürzen, von den Wänden abzuprallen und im verblassenden Dunkel des Himmels nachzuhallen. Der Mann, den sie einmalgeheiratet hatte, taumelte mit ungläubig aufgerissenen Augen zurück, während sich auf seinem schwarzen Pullover ein großer feuchter Fleck ausbreitete. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken. Dann stolperte er, wie eine Marionette, deren Fäden jemand durchtrennt, bevor er schließlich
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