Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
Schoß und entspannte sich, zum ersten Mal seit zu vielen Monaten. Alles drehte sich, und er zitterte am ganzen Körper. Nur der Schmerz, der ihm in Wellen durch die linke Schulter jagte, bewahrte ihn davor, ohnmächtig zu werden. Aber das war ihm verdammt gleichgültig. Er war wieder auf der Burg, und nur das zählte. Was immer nun geschehen mochte, er hatte es geschafft. Er war zurückgekommen.
Nach einiger Zeit gaben es die Dämonen auf, gegen die Burgmauern anzurennen, und das dumpfe Donnern wich einer Grabesstille, die noch unheilschwangerer wirkte. Rupert schloss die Augen und ließ sich einen Augenblick lang einfach treiben. Er hatte seine Pflicht getan. Er hatte das Recht innezuhalten. Wenigstens ein Weilchen. In seiner Nähe erklang ein leises, müdes Schnauben. Er öffnete die Augen, blickte auf und sah das Einhorn an seiner Seite stehen, den großen, knochigen Kopf müde gesenkt, mit verhüllten roten Augen ins Leere starrend. Rupert bedachte sein Reittier mit einem warmen Lächeln.
„Guter Spurt, Einhorn“, sagte er heiser.
„Ich weiß“, antwortete das Einhorn trocken. „Einen besseren wirst du nicht mehr erleben, so viel steht fest. Ich bin noch nie im Leben so schnell gerannt. Bemerkenswert, was man alles schafft, wenn es sein muss. Wie geht es dir?“
„Bescheiden, fast schon beschissen. Ich würde töten für einen Schluck Wasser. Vorausgesetzt, ich hätte die Kraft dazu.“
„Nun hör schon auf, den Todgeweihten zu mimen! Wo bleibt der versprochene Hafer?“
Rupert stieß ein heiseres Lachen aus und fand zum ersten Mal die Kraft, den Kopf zu heben und sich umzusehen.
Auf dem Burghof wimmelte es von Menschen: Bauern, Handwerker und Bürger, die vor den vorrückenden Dämonen geflohen waren und in der Burg Schutz gesucht hatten. Der Dunkelheit entgangen, drängten sie sich in kleinen Familienverbänden zusammen, umgeben von ihrer bescheidenen Habe. Hier und da flackerten kleine Feuer und versuchten, die Winternacht mit etwas Helligkeit und Wärme zu erfüllen.
Gleichwohl herrschte eine bittere Kälte, und Schatten sammelten sich zwischen den Feuern. Es gab ein paar erbärmliche Zelte und Unterstände, die aber keinen echten Schutz boten. Tiere streiften umher und wühlten in der Asche nach Essensresten. Der Gestank, der von den Menschen und Tieren ausging, war überwältigend, aber niemand schien es zu merken. Sie waren zu sehr daran gewöhnt.
Das Schlimmste war die Grabesstille. Die Menschen saßen der Wärme und des Trostes wegen stumm beisammen. Sie stierten mit Augen, die zu viel Grauen und zu wenig Hoffnung gesehen hatten, in die Flammen und warteten darauf, dass die Dunkelheit kam und sie holte. Rupert grinste bitter. Selbst die Burgmauern und die Magie, die darin steckte, reichten nicht, um den Einfluss des Düsterwalds völlig fern zu halten. Furcht, Beklommenheit und Hoffnungslosigkeit hingen in der Luft wie ein zäher, alles erstickender Nebel und spiegelten sich in der Schwäche wider, die jedes einzelne Flüchtlingsgesicht zeichnete. Die Dunkelheit war in ihre Seelen gedrungen und hatte ihnen ihren Stempel aufgedrückt. Rupert wandte den Blick ab. Trotz allem, was er erduldet und geleistet hatte, musste er am Ziel seiner Reise erkennen, dass seine Mission gescheitert war. Er war zu spät zurückgekehrt. Der blaue Mond stand am Himmel, der Wald lag unter dem Bann der langen Nacht, und von den fünfzig Männern, die ihm durch den Düsterwald zum Dunklen Turm gefolgt waren, hatten nur zehn überlebt.
„Ich hab ’ s versucht“, dachte Rupert niedergeschlagen. „Ich hab ’ s zumindest versucht.“
Er kämpfte gegen eine Woge von Selbstmitleid an, die ihn ertränkt hätte, hätte er es zugelassen. Leidtun konnte er sich später, wenn er Zeit dazu fand. Noch hatte er sich nicht bei König John zurückgemeldet, und er musste sich vergewissern, ob es seinen Männern gut ging. Sie hatten zuletzt ziemlich gelitten. Rupert sah sich nach dem Ersten Ritter um, aber er war nirgends zu entdecken. Allem Anschein nach hatte er sich geradewegs zu König John begeben, um ihm die Rückkehr des Erzmagiers zu melden. Rupert zog die Stirn kraus. Als Anführer der Gruppe war es eigentlich seine Aufgabe und nicht die des Ersten Ritters, über die Mission zu berichten. Zumindest hätte der Erste Ritter sich vorher mit ihm absprechen können. Rupert schmunzelte mit schmalen Lippen, als ihm etwas dämmerte. Der Erste Ritter hatte geschworen, seinen Befehlen bis zum Ende des Unternehmens zu
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