Das Reich der Elben 01
nicht, aber er war entschlossen, nicht aufzugeben. Die Pferde konnten der Beginn einer eigenen Zucht von Reittieren sein, sodass sich der Aktionskreis der Elben schon sehr bald stark ausdehnen würde. Und das wiederum verbesserte Branagorns Ansicht nach die Möglichkeit, eines Tages doch ein Kraut zu finden oder auf eine Magie zu stoßen, die hilfreich sein konnte.
Während Branagorn monatelang Richtung Westen unterwegs war, sandte Keandir auch Schiffsexpeditionen aus, um die Küste zu erforschen und nach geeigneten Plätzen abzusuchen, an denen man Häfen errichten konnte.
Kapitän Isidorn drang mit der »Morantor« Richtung Süden vor. Jenseits der Küste Hoch-Elbianas schloss sich eine Kette fruchtbarer Inseln an, die sich zur Besiedlung und zur Errichtung von Stützpunkten gut eigneten. Sie wurden von nun an zusammenfassend West-Elbiana genannt.
All diese Inseln wurden von Kapitän Isidorns Mannen angefahren und zumindest oberflächlich erforscht. Auf keiner von ihnen waren Spuren einer Besiedlung zu finden.
Keandir hatte den Seefahrern und Kriegern, die er aussandte, aufgetragen, nach solchen Spuren Ausschau zu halten. Wenn die Worte des Augenlosen Sehers der Wahrheit entsprachen – und daran gab es für König Keandir nicht den Hauch eines
Zweifels –, dann war das Zwischenland vor undenkbar langer Zeit von seinem Bruder Xaror beherrscht worden. Auch wenn es Keandir einerseits unwahrscheinlich erschien, dass von diesem Reich und den Geschöpfen, die in ihm lebten, noch irgendwelche Überreste geblieben waren, so beunruhigte ihn doch der Gedanke, dass das Schicksal Xarors bisher ungeklärt war. Ein Wesen, dessen Fähigkeiten und Bosheit dem Augenlosen auch nur annähernd ähnlich waren, wäre gewiss ein ernst zu nehmender und unangenehmer Gegner gewesen.
Doch Prinz Sandrilas und Siranodir mit den zwei Schwertern schafften es, ihren König in dieser Hinsicht zu beruhigen. Jemand, der das Schicksal selbst bezwungen und nun die Macht hätte, es selbst zu formen, bräuchte sich nicht vor dem Bruder des Augenlosen zu fürchten, so überzeugten sie ihn, gleichgültig wie viel Macht der noch immer besäße.
Die größte und nordöstlichste Insel West-Elbianas nannte Kapitän Isidorn nach einem Helden der legendären Vorzeit Athranors, die der Alten Zeit vorangegangen war. Sie hieß nun Elralon, und an der Südwestseite richtete Isidorn ein Lager mit Vorräten ein, um von dort aus weiter gen Süden vordringen zu können. An jener Stelle sollte später eine Stadt entstehen, die mit der Insel den Namen teilte.
Kapitän Isidorn kehrte zunächst nach Elbenhaven zurück, um seinem König sein Vorhaben zu unterbreiten. Schon wenige Tage darauf – und ausgerüstet mit neuen Vorräten – brach Isidorn mit seiner »Morantor« erneut auf.
Diesmal führte ihn sein Vorstoß die gesamte Küste Hoch- Elbianas und dem sich anschließenden Mittel-Elbiana entlang, und er ankerte schließlich an der Mündung eines großen Flusses, der »Tir« genannt wurde, was nichts anders war als ein alter, in Athranor noch gebräuchlicher und später nahezu in Vergessenheit geratener Begriff für »Wasserstraße«.
Mit mehreren Barkassen drang Isidorn flussaufwärts vor und stieß auch dort auf fruchtbares Land. Der Fluss war zwar eigentlich auch für größere Schiffe wie die »Morantor« gut schiffbar, aber da Isidorn nicht wusste, was seine Männer und ihn in dem fremden Land erwartete, wollte er auf Nummer sicher gehen. Die »Morantor« wartete also im Mündungsgebiet des Flusses und konnte notfalls zu einer Rettungsmission aufbrechen, falls die flussaufwärts fahrenden Elben durch feindselige Bewohner oder die Unbilden der Natur in Schwierigkeiten gerieten. Außerdem ließen sich die Barkassen beim Auftreten von Stromschnellen schneller aus dem Wasser ziehen und über Land transportieren, um die Reise oberhalb des jeweiligen Katarakts fortzusetzen.
Von feindseligen Geschöpfen war – abgesehen von ein paar Raubtieren – nichts zu sehen. Es gab Wölfe und Bären und in den flachen, Nieder-Elbiana genannten Grasländern südöstlich des Tir auch ein paar vereinzelte Großkatzen. Aber die ließen sich schon mit Magie der einfacheren Art, die jeder Elb von Kindesbeinen an beherrschte, leicht verscheuchen.
Wochenlang drang Isidorn mit seinen Männern flussaufwärts vor ohne irgendeine der befürchteten Schwierigkeiten. Dieser Fluss versprach die starke Lebensader eines großen Reiches zu werden. Schließlich teilte sich der Tir in einen
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