Das Reich der Elben 01
Schmuck, geschweige denn Waffen.
Ein ganzes Stück begleiteten die Wald-Ouroungour die Elben, hielten aber respektvollen Abstand. Dann gelangten Isidorn und seine Männer an einen Ort, der vollkommen frei vom sonst so dichten Unterholz war. Dennoch bildeten die Baumkronen auch über diesem Platz ein dichtes Blätterdach, sodass es ziemlich dunkel war. Doch obwohl kaum ein Lichtstrahl die Erde berührte, wuchsen hier Blumen mit blauen Blüten, die in der Dunkelheit leuchteten wie kleine Laternen.
Die Affen mieden diesen Ort. Sie wurden von einer seltsamen Scheu befallen und wichen zurück. Die verspielte Unbekümmertheit, die sie zuvor an den Tag gelegt hatten, war auf einmal weg, und sie starrten die Blumen an auf eine Weise, die ihre Angst deutlich erkennen ließ. Auch stießen einige von ihnen Schreie aus, so als ob sie sich dunkel an schreckliche Ereignisse erinnerten. Ein Instinkt schien sie auf Distanz zu diesen eigenartigen Gewächsen zu halten.
Und auch Isidorn warnte seine Männer. »Abgesehen von den Bäumen gibt es hier keine anderen Pflanzen – und die Waldbewohner meiden diesen Ort!«, stellte der Kapitän fest.
»Entweder liegt das an einer üblen Magie oder an einem Gift, das diese Blumen absondern. Also kommen wir diesen Gewächsen besser nicht zu nahe. Außerdem sind wir nicht botanischer Studien wegen hier.«
Schon wenig später sollte sich Isidorns Verdacht bestätigen. Ein rattenähnliches Tier von der Größe eines Schweins wurde von einem der Wald-Ouroungour durch das angrenzende Unterholz gejagt und geriet auf diese Weise in die Blumenkolonie. Plötzlich war ein zischender Laut zu hören. Mehrere der Blütenkelche hatten sich dem Tier zugewandt und stießen weißliche Wolken hervor. Das Tier winselte, stoppte mitten im Lauf, brach nieder, wurde weiß und zersetzte sich. Der Geruch von Fäulnis lag in der Luft.
»Offenbar ist dies eine Pracht, die man aus der Ferne genießen sollte«, stellte Isidorn fest.
Die Expedition erreichte schließlich den Quellsee des Nur, der am Fuße eines schroffen Gebirgszugs lag. Nordbergen sollte dieses Land, das mit diesem Gebirgszug begann, von nun an genannt werden. Das Waldreich hatte hier ebenso seine Nordwestgrenze wie die später zu Elbiana gehörenden Ebenen. Inzwischen waren Monate vergangen, und der Jahreszeitenwechsel machte sich bemerkbar. Anfangs führte Isidorn die Tatsache, dass die Nächte immer kälter wurden, darauf zurück, dass sie auf ihrer Fahrt den Nur hinauf so weit nach Norden vorgedrungen waren. Aber auf der Reise zurück zur Flussmündung wurde den Elben die Veränderung des
Wetters bewusst.
Auf der Fahrt flussabwärts hatten sie die Strömung auf ihrer Seite. Sie brauchten weder Segel zu setzen, noch zu rudern. Der Fluss selbst trug sie zur Mündung.
Obwohl viele lieber schon nach Elbenhaven zurückgekehrt wären, entschied Isidorn, die Küste Richtung Süden noch ein Stück weiter zu erforschen, denn die nächste Expedition würde vielleicht erst wieder im Frühjahr möglich sein, schließlich wusste man noch nicht, was die Winter des Zwischenlands an Stürmen und anderen Unbilden brachten. Noch dreimal ging Isidorn mit einer kleinen Schar von Männern an Land. Aber
nirgends waren Anzeichen dafür zu finden, dass jemand hier siedelte oder gelebt hatte.
Dann erreichten sie eine tief eingeschnittene Bucht. Die Küste, die danach in südlicher Richtung folgte, war flach, trocken und sandig – und unterschied sich damit deutlich von dem eher felsigen Hochland Nuraniens. Die Küste südlich der Bucht nannte Isidorn Elbara, nach einer Elbenprinzessin aus den athranorischen Legenden. Diesen Legenden nach hatte Prinzessin Elbara einen Troll namens Gororok geheiratet, wovon ihr die elbische Verwandtschaft natürlich dringend abgeraten hatte. Daraufhin hatte sie versucht, ihren Trollgemahl zu einem Prinzen mit elbischen Umgangsformen zu erziehen, was natürlich niemals gelingen konnte und den Rahmen zu einer Unzahl lustiger Anekdoten lieferte.
Als die »Morantor« schließlich nach Elbenhaven zurückkehrte, waren die Anhöhen Hoch-Elbianas bereits mit Schnee bedeckt, und ein kalter Nordwind blies…
Isidorn und seine Mannschaft wurden begeistert empfangen. Noch war Elbenhaven eine Zeltstadt, aber die ersten Gebäude nahmen bereits Gestalt an. Auch waren die Ausmaße der künftigen Festungsanlagen schon zu erahnen, und Isidorn war tief bewegt, als er dies sah. Die Fortschritte, die während seiner Abwesenheit gemacht worden waren, beeindruckten
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