Das Reich in der Tiefe
wollen nicht? Dann werden wir mit unseren überlegenen Waffen die Burg stürmen. Falls der Prinzessin auch nur das geringste geschieht, wird das ganze Volk von Cheti aufstehen und nicht eher ruhen, bis dem letzten von eurer Mordbande der Garaus gemacht ist“, schrie Klaus wütend.
„Kommt doch!“ kam die Entgegnung. „Wir fürchten uns nicht!“
Erichsen drehte sich um. Ayola schlug auf dem Rückweg vor, einen Sturm durch den entdeckten Geheimgang zu unternehmen, mit den neuen Waffen müsse es gelingen.
„Das glaube ich auch“, pflichtete Erichsen bei, „aber es kostet Verluste, denn dieser Gang ist bestimmt aufs stärkste gesichert, wenn nicht Fallen eingebaut sind. Ich weiß etwas viel Besseres.“ Und Klaus entwickelte seinen einfachen Plan, der sogleich ins Werk gesetzt wurde.
Während die Umklammerung der Burg außerhalb der Reichweite der primitiven Waffen durch Erdbauten verstärkt wurde, kletterte Klaus mit einem Drittel der Belagerer an der steil ansteigenden Höhlenwand empor. Er mußte einen großen Umweg durch eine abschüssige Schlucht machen, sich dann auf Felsbändern und durch Rinnen seitwärts vorarbeiten. Es fanden sich genug Felsabsätze, die Platz boten, um Schützen und auch die schwereren Waffen in Stellung zu bringen. Voneinander waren sie allerdings so weit entfernt, daß man sich nur durch Trommel- oder Flaggensignale zu verständigen vermochte. Von diesen Felsnestern, hundert Meter über der Burg, konnte man deren Innenhof, die Mauern und die Fensteröffnungen restlos einsehen. Klaus wählte die besten Plätze aus und kroch mit den Unterführern zu jedem Felsnest. Dann kletterten sie wieder hinab, und es begann das Heraufschleppen der Waffen. Für dies alles wurden mehr als 24 Stunden benötigt.
Klaus gab den Signalschuß. Schon die erste Gewehrsalve traf eine Anzahl Verteidiger, dann explodierte eine Granate mitten in den dicht gedrängten Reserven im Innenhof. Weiterhin schlugen die Geschosse der beiden Maschinengewehre hageldicht ein, und nach wenigen Minuten räumten die Überlebenden in voller Panik das Feld.
Während noch die letzten Schüsse krachten, kletterte Klaus schon bergab, in vollem Lauf erreichte er den Innenhof der Burg.
„Habt ihr sie?“ rief er schon auf Entfernung, als er Ayola sah.
Der schüttelte betrübt den Kopf.
„Warum nicht? Was ist?“
„Sie war gar nicht in der Burg!“
„Aber Sie sagten doch, die Dorfleute hätten die Prinzessin gesehen!“
„Sie war auch hier, aber Xayan – es war übrigens der Mann, mit dem wir verhandelt haben – ist schon vorgestern mit ihr geflohen!“
„Durch den Geheimgang?“
„Sicherlich! Er muß als einziger erkannt haben, daß die Feste nicht zu halten war. Hat zehn seiner besten Leute mitgenommen und den anderen den Auftrag erteilt, sie bis zum letzten Blutstropfen zu halten.“
„Um Vorsprung zu gewinnen?“
„Ja! Das ist ihm leider gelungen. Niemand von den Gefangenen weiß, wohin sie sich gewandt haben.“
Erichsen stöhnte: „Das ist zum Verzweifeln! Also wieder alles umsonst!“
* *
*
Vier Tage später fand die feierliche Übergabe der Regentschaft an den wieder genesenen Rocco statt, vor einer tausendköpfigen Menge, die dem Schauspiel vom Vorplatz des Palastes aus zusah. Rocco, der nunmehrige Regent, wollte Klaus den Befehl über die bewaffnete Macht übertragen, aber dieser lehnte ab. Ihm fehlte dazu die innere Sammlung, solange nicht Toxa wiedergefunden war. Obwohl Belohnungen ausgesetzt waren und die ganze Bevölkerung, durch die Parteiorganisationen aufgefordert, nach ihr fahndete, fehlte noch jede Spur.
Da ließ sich, sechs Tage nach Klaus’ Rückkehr, ein Freiwilliger bei ihm melden. „Sie haben mir einmal das Leben gerettet“, sagte er, „als ich mit Ihnen in den Bergen des Südendes der neuen Höhle herumkletterte. Sie schossen die Echse ab, die mich verwundete, und trugen mich auf Ihren Schultern ins Tal.“
„Ja – und warum kommen Sie zu mir?“
„Ich will jetzt etwas für Sie tun! Befreien Sie meinen Bruder aus dem Irrenhaus. Er ist Hellseher und könnte Ihnen vielleicht sagen, wo die Prinzessin ist.“
„Warum hat man ihn denn ins Irrenhaus gesteckt?“
„Er hat seinen Unterhalt durch Wahrsagen verdient, und das ist verboten!“
Klaus war skeptisch, aber er ging zu Rocco und erwirkte die Freilassung des Mannes. Zwei Tage später trat ein ungepflegter, ausgemergelter Mensch mit trüben, ausdruckslosen Augen bei
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