Das Reich in der Tiefe
Ihnen abzurechnen, Sarasola, will Ihnen aber zeigen, daß ich kein Mörder bin!“ rief er laut.
Der Hohepriester erwiderte zynisch: „Auch Sie sollen das Leben behalten, wenn das Blatt sich wendet!“
Klaus, durch dieses merkwürdige Verhalten seines Gegners aus der Fassung gebracht, wußte nichts zu antworten, und drehte ihm den Rücken. Draußen rief er dem Wachhabenden zu, er solle den Hohepriester scharf bewachen lassen und den Rest seiner Leute aussenden, um alle im Palast erreichbaren Offiziere der Freiwilligentruppe sofort zu versammeln.
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Zwei Dutzend der bewährtesten Führer der Freiwilligentruppe, so wie man sie in Eile zusammengerufen hatte, standen in einer prachtvollen gewölbten Halle des Palastes und horchten auf das, was Erichsen, der ruhelos vor ihnen auf und ab lief, stoßweise herausbrachte. Er erzählte den Hergang des heutigen Tages, verschwieg auch nicht die Erscheinung des Hohepriesters auf der Tempeltreppe, berichtete von seiner Rücksprache mit Sarasola und erklärte, wie dessen angeblich von den Göttern verliehene Gaben zu deuten seien.
„Ich bin am Ende, Kameraden“, schloß er. „Ohne Ihre Hilfe geht es nicht weiter. Wir hätten gerade jetzt Besseres zu tun, aber erst müssen wir damit fertig werden. Es handelt sich nicht nur um meine Person, nicht um das Schicksal meiner Braut, es ist der erste Großangriff der uns feindlichen Kraft. Wenn wir jetzt nicht zurückschlagen und siegreich sind, ist es aus mit der Zukunft unserer Truppe und der Siedlung im neuen Land und mit der Reform der Verfassung!“
Klaus empfand ein Gefühl großer Erleichterung, als sich alle ohne Ausnahme, zur Verfügung stellten. Nach einigem Überlegen wählte er einen Offizier namens Ayola aus, der mit seiner Kompanie von zehn Kampfgruppen sogleich die Verfolgung der Entführer in die Hand nehmen sollte. Er gab ihm alle Vollmachten, durchzuführen, was er für nötig halten würde, um die Spur aufzunehmen, die Prinzessin zu befreien und die Entführer zu bestrafen.
Den ältesten und erfahrensten Offizier unter den Anwesenden bestimmte er für die Führung der bewaffneten Macht, denn er selbst konnte sich darum weniger als bisher kümmern. Alle Freiwilligen sollten sofort über das Geschehene aufgeklärt werden, und daß es jetzt darauf ankäme, noch fester als bisher zusammenzuhalten.
Danach entließ Erichsen die Versammelten. Er behielt nur einen jungen Arzt zurück. „Sie haben sich freiwillig zu jeder Verwendung gemeldet“, wandte er sich an ihn. „Getrauten Sie sich zu, Maßnahmen gegen Sarasola durchzuführen? Mag sein, daß der Höchste Priester im Interesse des Reiches zu handeln glaubt, er ist aber unser unerbittlicher Feind. Seine Fähigkeiten, die er gegen uns anwendet, liegen auf einem unheimlichen Gebiet. Diese dämonische Begabung ist eher teuflisch als göttlich. Wenn wir ihn nicht ausschalten, wird er als einzelner unsere Volksbewegung in kurzer Zeit zunichte machen!“
„Ich will alles im Interesse der Truppe tun, aber keinen Mord!“
„Dann sind Sie mein Mann. So waren meine Worte von ‚ausschalten’ nicht gemeint. Mein Plan ist anders. Wir sind nur dann vor Sarasolas unheimlichen Anschlägen sicher, wenn er schläft! Halten Sie ihn so lange wie möglich im Betäubungsschlaf. Geben Sie ihm soviel narkotische Mittel, wie er verträgt. Sie selbst, mit ein paar Gehilfen, müssen ihn bewachen. Trauen Sie sich das zu, ohne daß er Sie hypnotisiert?“
Der junge Arzt nickte.
„Gut! Im Schlaf muß er aus Atakor weggebracht werden, möglichst weit fort! Größere Entfernung von hier erschwert sicherlich die parapsychischen Zauberkünste. Haben Sie einen Vorschlag, wohin wir ihn bringen?“
Der Arzt überlegte eine Weile: „Im Südostzipfel des Hochlandes Mog gibt es ein kleines Internierungslager, in dem hochgestellte Leute, die mißliebig waren, isoliert wurden. Soviel ich weiß, steht es fast leer.“
„Ein sehr guter Vorschlag! Begleiten Sie den Gefangenen dahin und lassen Sie ihn nie ohne Aufsicht, wenn er wach ist. Um seine parapsychischen Hexereien anzuwenden, muß er sich konzentrieren können, allein sein, durch nichts abgelenkt werden. Gerade das dürfen Sie ihm nicht gestatten.“
Nach einer Stunde war der Arzt mit seinen Vorbereitungen fertig und hatte sich zwei robuste Helfer unter den Freiwilligen ausgewählt. Nachdem es ihm gelungen war, Sarasola einzuschläfern, brachte man diesen in geschlossener Sänfte zu
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