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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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materiellen
Güter in die Abgeschiedenheit transportiert wurden.
    Wenn man Gefühle doch auch so einfach in Papier und Kisten packen,
mit einem Umzugswagen von A nach B transportieren und am Ziel der Reise wieder
auspacken und in dem neuen, unbekannten Leben hübsch an Ort und Stelle
einsortieren könnte. In ihren Augen war dieser Umzug, dieses neue Haus, dem sie
sich Kilometer für Kilometer näherten, ein Meilenstein, ein Wendepunkt, der
Beginn eines völlig neuen Weges – eines Weges, den sie, wenn es nach ihr
gegangen wäre, nicht beschritten hätten.
    Lily war nicht imstande gewesen, Nein zu sagen – obwohl es ihr
selbst das Herz brach, ihr gemeinsames Leben in London einfach so hinter sich
zu lassen. Ein Leben, das doch einmal so verheißungsvoll begonnen hatte. Von
London wegzuziehen an einen Ort, der in jeder Hinsicht völlig anders war,
fühlte sich für sie nicht nur so an, als würden sie in einen anderen Landesteil
ziehen, sondern so, als würden sie in ein anderes Land, ja, in eine ganz andere
Welt ziehen.
    Auch das Haus hatte Liam ganz allein ausgesucht. Er war von einem so
genannten Arbeitstreffen mit Peter in Cornwall wiedergekommen und hatte sein
schlechtes Gewissen mit einem Lächeln und einem Haufen Geschenken erleichtern
wollen.
    Er behauptete, es sei ein einmaliges Angebot gewesen, bei dem er
sofort hatte zuschlagen müssen.
    »Hast du eine Ahnung, wie oft ein solches Objekt auf den Markt
kommt? Ich musste einfach sofort eine Entscheidung treffen. Du wirst begeistert
sein, Lily, ganz bestimmt.«
    Sie war alles andere als begeistert.
    Sie hasste das Haus und alles, was damit zu tun hatte.
    Obwohl es wunderschön und perfekt war, ein absolutes Traumhaus.
    Es ging ihr gegen den Strich, wie sich alles so schnell und
widerstandslos fügte – als habe es so sein sollen, als würden sie das Richtige
tun.
    Denn obwohl sie zugestimmt hatte und obwohl sie alles tat, um den
Umzug mit allem Drum und Dran gut über die Bühne zu bringen, fühlte sich das
alles so verdammt falsch an.
    Nach weiteren anderthalb Stunden Fahrt sahen sie das Haus.
Ihr Weg führte sie durch karge Moorlandschaft, hektarweise braune Wintererde
mit abgebrochenen Farnen und sprödem Gras, durch Hohlwege aus knorrigen, kahlen
Zweigen und hohen Hecken, durch kleine Dörfer, Ansammlungen malerischer,
idyllischer Cottages.
    Dann öffnete sich das Land und breitete sich plötzlich vor ihnen
aus. Dahinter lag kalt wie ihre das Lenkrad umklammernden Hände der Atlantik.
    Rose Cottage war genau so, wie ein Kind ein Haus malen würde: ein
altes, dreistöckiges Steinhaus mit der Eingangstür genau in der Mitte. Es
befand sich direkt vor einer Klippe auf einem Stückchen Hinterland, das im
Prinzip der letzte Zipfel des englischen Festlands war. Jenseits des Vorgartens
erstreckte sich eine Wiese bis hin zu einer Trockenmauer, hinter der ein Pfad
entlangführte, und jenseits des Pfades fielen die Klippen steil in die
Endlosigkeit des Meeres ab.
    Das Haus hatte seinen Namen von dem Wirrwarr aus Dornensträuchern,
die der eigentliche Garten hinter dem Haus sein sollten. Er war derart
verwahrlost, dass man von der kleinen gepflasterten Terrasse gar nicht in
diesen Wust aus Ranken und Stacheln vordringen konnte, der einst ein üppig
blühender, duftender Rosengarten gewesen war.
    Für Cornwall war das Haus eher ungewöhnlich. Typisch waren hier
lange, niedrige Gebäude, die sich vor den Elementen duckten, während Rose
Cottage ihnen mit seinen drei Etagen stolz trotzte. Durch die großen Fenster
würden im Sommer Licht und Wärme die hohen Räume durchfluten. Das Haus wirkte
ebenso alt und baufällig wie die gesamte Landschaft. Auf einen Architekten
allerdings übte es sicher einen ungeheuren Reiz aus.
    Doch Lily sah nur die isolierte Lage und wie verwahrlost alles war.
    Noch war der Umbau nicht abgeschlossen, das Haus gerade so
bewohnbar. Die einzigen fertigen Räume waren das Wohnzimmer links der
Eingangstür, das Liam als Arbeitszimmer diente, das große Schlafzimmer, ein
neues, aus einem der kleinen Zimmer im ersten Stock entstandenes Badezimmer
sowie die Küche, die für sie schon immer das Herzstück eines jeden Zuhauses
gewesen war. Immerhin war das Dach repariert und das Gerüst bereits abgebaut
worden.
    Lily stieg aus ihrem Wagen und ließ den Blick erst über das weiße
Steinhaus schweifen und dann hin zum Meer, das sich in seinen kalten Grautönen
schier endlos in die Weite erstreckte.
    Und dann fing es an zu schneien.
    Erst nur ganz

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