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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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der
sie gestanden hatte, war kein Fels gewesen, sondern nur ein grasbewachsener
Überhang, der jetzt unter ihr nachgab.
    Lily fiel.
    Sie stürzte. Versuchte verzweifelt, sich an irgendetwas
festzuhalten. Bekam ein Stück Fels zu fassen und kugelte sich die Schultern
aus, als ihr Körper, der sich mit aller Macht abwärts bewegte, gebremst wurde.
Dann rutschten ihre Finger ab. Die schroffe Felsoberfläche riss ihr die Haut auf,
je mehr sie abglitt.
    Ein unbeschreiblicher Schmerz durchfuhr sie.
    Sie hörte die Brandung unter sich. Oder war es das Rauschen ihres
eigenen Blutes in den Ohren?
    Liam rief nach ihr. Immer und immer wieder.
    Die von ihren Nestern aufgestörten Möwen kreischten.
    Und in ihrem Kopf hallten so viele andere Stimmen wider.
    »Wir müssen ihn loslassen, Lily.«
    »Lassen Sie los, Lily. Loslassen ist das Beste.«
    »Es ist möglich, ihn loszulassen … ohne ihn aufzugeben.«
    Also ließ sie los.

 

    29
    E r konnte es
nicht wissen, aber er saß und wartete genau da, wo Lily vor Monaten gesessen
und gewartet hatte. Auf einem harten Plastikstuhl im Wartezimmer des
Krankenhauses.
    Die ganze Nacht hatte er dort ausgeharrt.
    Sie alle.
    Abi, die die Schreie gehört und geistesgegenwärtig die Küstenwache
verständigt hatte.
    Dylan, der Liam daran gehindert hatte, die zehn Meter zu den Felsen
hinunterzuklettern, um es gleich darauf selbst zu tun, und der ihren Kopf aus
dem Wasser gehoben hatte, bis der Rettungshubschrauber kam.
    Peter und Wendy, noch immer in Partykleidung, Wendys Make-up, von
Tränen zerstört.
    Sie alle hingen auf den Plastikstühlen herum und dösten immer wieder
ein.
    »Hatte ich Ihnen nicht gesagt, dass ich Sie hier nie wieder sehen
möchte?«
    Die vertraute Stimme ließ Liam aufwachen.
    Steif und fröstelnd zwang Liam die bleiernen Augenlider hoch und sah
Liz vor sich, die in übertrieben strenger Geste die Arme vor der Brust
verschränkte.
    »Liz …«, krächzte er. Sein Mund war wie ausgetrocknet. »Es ist Lily
… Lily ist hier …«
    »Ich weiß.«
    Ihr warmes Lächeln sagte mehr, als tausend Worte es vermocht hätten.
    »Ist sie …«
    Liz nickte.
    »Es geht ihr gut, Liam. Sie ist außer Gefahr.«
    Die Erleichterung war so grenzenlos, dass er fast hemmungslos
angefangen hätte zu schluchzen.
    Stattdessen rappelte er sich auf und nahm Liz in den Arm. Seine
Tränen landeten auf ihrer Schwesterntracht.
    Sie klopfte ihm auf den Rücken, als würde sie ein kleines Kind
trösten, und murmelte beruhigend auf ihn ein.
    »Ist ja gut … wird ja alles gut … Wirklich, Liam, es ist alles gut,
machen Sie sich keine Sorgen. Ich komme geradewegs von der Intensivstation. Sie
schläft noch tief und fest, aber die Aufnahmen und die Bluttests sind alle in
bester Ordnung. Ein paar Knochenbrüche, aber nichts Ernstes, nichts, das nicht
mit der entsprechenden Fürsorge und Pflege heilen könnte. Sie hat großes Glück
gehabt. Sie haben beide großes Glück gehabt. Es besteht keine Lebensgefahr. Sie
werden beide durchkommen.«
    Er atmete lang und tief aus und ließ den Kopf hängen.
    »Danke«, flüsterte er. Dann erst drangen ihre letzten Worte durch
all die Aufregung zu ihm durch.
    Ängstlich und hoffnungsvoll zugleich sah er zu ihr auf.
    »Wie, beide?«
    Liz’ Lächeln wurde noch ein paar Zentimeter breiter.

 

    Epilog
    D er Ruf einer
in der Nähe des Hauses kreisenden Möwe weckte sie. Strahlender Sonnenschein
fiel durch das noch immer vorhanglose Fenster. Die andere Seite des Bettes war,
wie so oft in letzter Zeit, leer, doch Lily lächelte, als sie mit der Hand über
die noch leicht warme Stelle strich, an der er bis vor Kurzem gelegen hatte.
    Nach einer schnellen Dusche zog sie sich an und folgte dem Duft nach
Kaffee und frischen Croissants nach unten in die Küche, wo der Frühstückstisch
bereits gedeckt war.
    Durch das offene Küchenfenster konnte sie sie lachen hören.
    Lily ging zum Fenster und sah hinaus.
    Ein perfekter Frühsommertag. So lieblich und frisch wie eine reife
Orange.
    Sie waren im Rosengarten.
    Liam hielt ihn hoch, sodass er eine der vielen üppigen Blüten
aussuchen konnte.
    »Welche sollen wir für deine Mama pflücken, James?«
    Das Lächeln des kleinen blonden Jungen glich dem seines Vaters. Das
Kind zeigte auf eine voll erblühte Teehybride, ein für Lily gleichzeitig
herzzerreißender und wunderbar heilsamer Anblick.
    Ja, heilsam. Heilung war nämlich doch möglich.
    Mit der Heilung verschwindet der Schmerz, und wenn der Schmerz
verschwindet, ist es

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