Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
Vom Netzwerk:
Licht seiner Laterne. «Hier bin ich, Simon.»
    Sie trafen sich etwa fünfzig Meter weiter. Simon sah unglücklich auf den Boden, eine Standpauke erwartend, weil er das Fräulein in die Irre geführt hatte.
    Aber Lina war nicht nach Schimpfen, sie war viel zu erleichtert, den Jungen wiedergefunden zu haben. «Gut, du hast dich vor der Kutsche in Sicherheit bringen können», sagte Lina, als sie ihm endlich gegenüberstand.
    «Als ich umkehrte, hat die Kutsche etwa hier gehalten. Ich kam von dort hinten auf sie zu. Und dann ist sie losgerast, als wäre der Teufel hinter ihr her.»
    Ein leichter Wind kam auf, der Nebel begann, sich ein wenig zu lichten. Ein paar Schritte hinter Simon konnte man eine Mauer erkennen, das war der Friedhof. «Und wann hättest du gemerkt, dass du mich verloren hast? Wenn du in Meiderich oder beim Phoenix-Werk angekommen wärst? Das ist ein großer Umweg, Simon.»
    Simon sah verlegen auf seine Fußspitzen. «Es tut mit leid, Fräulein Lina. Aber ich … ich war so wütend.»
    Lina keuchte immer noch ein bisschen von dem Schreck, den ihr die Kutsche eingejagt hatte. Simon leuchtete sie mit der Lampe an.
    «Mir geht es gut, Simon …», dann brach sie ab, denn die Augen des Jungen hatten sich vor Schreck geweitet. Er deutete auf den Boden direkt neben ihr. Sie blickte hinunter, und dann sah auch sie, was Simon so geängstigt hatte. Dort lag ein großes Bündel, ein merkwürdiges Knäuel. Auf den ersten Blick sah es wie ein Haufen Lumpen aus, den jemand hier verloren hatte, aber dann sah sie, was Simon erschreckt hatte: eine kleine, weiße Hand ragte daraus hervor.
    Lina nahm dem Jungen die Laterne ab und leuchtete dorthin. Im schwachen Lichtschein konnte sie erkennen, was da lag: Es waren zwei Kinder, Mädchen in ärmlicher Kleidung. Das kleinere lag über dem größeren, beide hatten weizenblonde Locken, das Gesicht der Kleinen konnte Lina nicht erkennen, weil sie auf dem Bauch lag. «Hilf mir mal, Simon», sagte Lina entschlossen und stellte die Lampe vorsichtig auf den Boden.
    Widerwillig half Simon, das kleinere Mädchen umzudrehen und von dem größeren wegzuziehen. Lina hatte insgeheim gehofft, sie würden noch leben, doch jetzt sah sie, dass hier niemand mehr helfen konnte. Die gesamte Vorderseite der Mädchen war in Blut getaucht, das bereits getrocknet war. Am Oberkörper war die Kleidung ganz aufgerissen, und in der nackten Brust der Mädchen klafften Löcher, mehr als zwei Fäuste groß.
    Simon würgte, und auch Lina verspürte Brechreiz. Sie sah nicht zum ersten Mal ein totes Kind, aber das hier war etwas anderes. Hinter sich hörte sie, wie Simon sich erbrach.
    Lina trat ein paar Schritte zur Seite und suchte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch und dem Riechsalz. Der Junge war zwar nicht ohnmächtig, aber Riechsalz schien ihr hier das richtige Mittel zu sein. Er stand keuchend auf dem Feld. Sie trat von hinten an ihn heran, um ihr Kleid nicht zu verschmutzen, und reichte ihm das Taschentuch.
    «Damit kannst du dich säubern, Junge.» Dann hielt sie ihm das Fläschchen unter die Nase. Er hustete, es schien aber zu nützen.
    «Simon, du musst zurück in die Altstadt. Der Sergeant macht dort irgendwo seine Runde. Du musst ihn finden und herbringen, hörst du?»
    Er nickte, machte aber keine Anstalten, loszulaufen. «Was ist mit Ihnen, Fräulein Lina? Sie können doch nicht allein bleiben mit … mit …»
    «Simon, die Mädchen sind tot. Sie werden mir nichts mehr tun.»
    Erst als sie Simon im Nebel verschwinden sah und mit ihm die Laterne, kam ihr der Gedanke, dass zwar nicht die Mädchen, aber doch ihr Mörder ihr gefährlich werden könnte.
    Sie umklammerte fest ihren Stock, entschlossen, ihn als Waffe zu gebrauchen, falls sich ihr jemand näherte. Sie schätzte, dass mehr als eine halbe Stunde vergangen war, bis sie das Licht von mehreren Laternen näher kommen sah. Immer noch konnte man nur wenige Meter weit sehen, aber bald schälten sich die Umrisse mehrerer Menschen aus dem Nebel.
    Einer war Simon, der andere der lange, dürre Polizeisergeant Ebel. Sein Kollege Thade, der Meidericher Dorfpolizist, der wohl gerade zum wöchentlichen Rapport in Ruhrort war, begleitete ihn. Hinter ihnen folgte eine große Menschenmenge, die meisten in einfacher Kleidung. Lina vermutete, dass Simon den Polizisten in einer Schenke gefunden hatte und dass die Gäste dort sich den grausigen Anblick nicht entgehen lassen wollten.
    Die beiden Polizisten leuchteten mit ihren Laternen die toten

Weitere Kostenlose Bücher