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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Schmuck, raubkopierte CDs und DVDs, Papageien und Koffer sowie dreidimensionale Bilder von Mekka und von Jesus kaufen konnte. (In der alten Stadt Marrakesch fragte man mich einmal, ob ich je etwas Vergleichbares gesehen hätte. Ich konnte nur erwidern, dass ich den ganzen weiten Weg gekommen war, nur um an den Shepherd's Bush Market erinnert zu werden.)
    In der Goldhawk Road konnte niemand wirklich glücklich sein, doch in der zehn Minuten entfernten Uxbrige Road sah die Sache anders aus. Dort, am vorderen Ende des Marktes, kaufte ich immer eine Falafel und trat dann auf eine dieser breiten Straßen Westlondons, in der die Läden Leuten aus der Karibik, aus Polen, Kaschmir und Somalia gehörten. Gleich neben der Polizeiwache stand die Moschee, wo man durch die offene Tür Spaliere von Schuhen und betenden Männern sehen konnte. Dahinter befand sich das Fußballstadion der Queen's Park Rangers, wo Rafi und ich uns gelegentlich Spiele anschauten, aber meist enttäuscht wurden. Einer der Läden war kürzlich beschossen worden, und vor nicht allzu langer Zeit wurde Josephine von einem vorbeiradelnden Jungen das Handy entrissen. Davon abgesehen war das Viertel allerdings bemerkenswert ruhig, wenn auch sehr betriebsam, denn die meisten Leute waren emsig mit Pläneschmieden und Verkaufen beschäftigt. Dass es nicht mehr Gewalt gab, erstaunte mich, weil die Mischung der Menschen durchaus Zündstoff bot.
    Mein bislang unerfüllter Wunsch war es, im ärmsten und ethnisch buntesten Teil der Stadt ein luxuriöses Leben zu führen. Jedes Mal, wenn ich dort spazieren ging, bekam ich gute Laune. Das hier war ja kein Ghetto; die Ghettos waren Belgravia, Knightsbridge und Teile von Notting Hill. Nein, das hier war London als Weltstadt.
    Bevor sich unsere Wege trennten, sagte Henry: »Du weißt ja, Jamal -wenn man als Schauspieler auf die Bühne kommt und nicht aufgeregt, sondern nur angeödet ist, dann ist das eine Katastrophe. Dann wäre man gern anderswo, aber man muss ja noch die Szene mit dem Sturm hinter sich bringen. Die Worte und die Gesten sind hohl, und wie soll man das vertuschen? Ich muss dir etwas beichten, obwohl es mir schwerfällt und mir ziemlich peinlich ist: Ich hatte reichlich One-Night-Stands - fremde Körper sind einfach toll, oder? -, aber ich habe seit fünf Jahren nicht mehr wirklich mit einer Frau geschlafen.«
    »Wie? Länger nicht? Die Lust wird sich wieder einstellen, das weißt du.«
    »Nein, der Zug ist abgefahren. Wenn ein Mensch nicht mehr zur Liebe und zum Sex imstande ist, kann er auch nicht mehr leben. Stimmt doch, oder? Ich stinke schon nach Tod.«
    »Das ist der Duft deines Mittagessens. Dein Appetit ist längst wieder da. Darum bist du auch so rastlos.«
    »Wenn das nicht stimmt, trete ich ab«, sagte er und zog einen Finger über seine Kehle. »Das ist keine Drohung, sondern ein Versprechen.«
    »Ich schaue mal, was ich tun kann«, erwiderte ich, »in beider Hinsicht.«
    »Du bist ein echter Freund.«
    »Überlass das Entertainment mir.«
    ZWEI
    Früher Abend, und mein letzter Patient ist weg, nachdem er versucht hat, seine Last bei mir abzuladen.
    Nun tritt jemand gegen die Haustür. Mein Sohn Rafi hat sich angekündigt. Der Junge wohnt ein paar Straßen weiter bei seiner Mutter, Josephine, er ist mit dem City-Roller gekommen, den wir bei Argos gekauft haben, im Rucksack seine Playstation Portable, Sammelkarten und Fußballhemden. Um den Hals trägt er eine dicke Goldkette mit Dollarzeichen. Er hat mir einmal erzählt, dass er sich müde fühle, wenn er nicht die richtigen Klamotten trage. Sein Gesicht ist glatt, an manchen Stellen etwas verschmiert, und rund um den Mund kleben Essensreste; seine Mutter hat ihm das Haar mit dem Rasierer gestutzt. Wir klatschen die Fäuste aneinander und tauschen den typischen Mittelschicht-Gruß aus: »Yo bro - dog!«
    Bei meinem Anblick versucht der Zwölfjährige, den Kopf zu verstecken, denn er hat genau die richtige Größe, um gepackt zu werden, aber wo soll man seinen Kopf verstecken? Ich möchte ihm einen Kuss geben und ihn in den Arm nehmen, den kleinen Wirbelwind, und sein Jungenfleisch riechen, ihn zu Boden ziehen und mit ihm ringen. Sein Kopf zuckt wild hin und her, und er zieht Grimassen und windet sich, weil sich sein Vater so freut, ihn zu sehen, und hoffnungsvoll sagt: »Hallo, mein Junge, ich habe dich vermisst, wie war dein Tag?«
    Er stößt mich weg. »Verpiss dich, fass mich nicht an, bleib mir vom Leib, Alter - lass das!«
    Wir werden

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