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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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werden. Die Mädchen waren panisch, weil sie nicht wussten, ob sie eine andere Arbeit finden würden. Sie sahen sich selbst als »Tänzerinnen« - als »Künstlerinnen« sogar - und nicht als Huren.
    Aber sie waren zu derb für die neuen Lap-Dancing-Clubs, die fast ausschließlich junge Polinnen, Tschechinnen und Russinnen einstellten.
    Ich saß an der Bar, las in der Zeitung und beobachtete das tiefe Delirium der Männer, die Lucy zusahen. Während ihrer Pause gingen wir nach oben in das alte Zimmer von Wolf, dessen Habseligkeiten von Bushy entsorgt worden waren. Um Lucys Englisch aufzupeppen, las ich ihr seit neuestem etwas vor - aber das war auch schon alles. Es handelte sich um Auszüge aus meinen Lieblingsbüchern: Lyrik aus der elisabethanischen Zeit, dieses und jenes aus Das Unbehagen in der Kultur, Dr. Seuss.
    Nicht, dass Lucy viel davon kapiert hätte, aber wenn wir dort lagen, mussten wir immer lachen, weil wir uns auf so lustige Art missverstanden.
    ACHTUNDVIERZIG
    Ich bin nicht mehr jung, und ich bin noch nicht alt. Ich bin in einem Alter, in dem man sich die Frage stellt, wie man sein Leben führen will und wie man die Zeit und die Lust nutzen möchte, die einem noch bleiben. Immerhin weiß ich, dass ich arbeiten muss, dass ich lesen, denken und schreiben und mit meinen Freunden und Kollegen essen und reden möchte.
    Nicht mehr lange, dann wäre Rafi erwachsen. Am liebsten würde ich gemeinsam mit ihm und seiner Mutter - falls ich die beiden dafür begeistern konnte - an meine Lieblingsorte reisen. Ich würde ihnen die Kirchen Italiens zeigen und mit ihnen in Rom essen gehen. Ich würde ihnen die Städte Indiens, die Buchläden von Paris, die Kanäle Hertfordshires, die Wasserfälle Brasiliens und die Restaurants Barcelonas zeigen.
    Ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich mit der Liebe nicht abgeschlossen hatte, weder in ihrer konventionellen noch in ihrer anarchischen Form. Und die Liebe hatte mit Sicherheit noch nicht mit mir abgeschlossen.
    Ich gab mir einen Ruck und stand auf. Offenbar hatte ich ziemlich lange auf meinem Stuhl gesessen und geträumt. Es hatte zweimal geklingelt. Maria schien auf dem Markt zu sein.
    Ich ging zur Tür und ließ den Patienten herein. Er zog den Mantel aus und legte sich auf die Couch. Ich saß hinter ihm und konnte ihn sehen, ohne von ihm gesehen zu werden. Er schwieg eine Weile.
    Ich verbannte alle Gedanken aus meinem Kopf, bis ich mir nur noch seiner und meiner Atemzüge bewusst war. Dann warteten wir beide darauf, dass der Fremde in ihm zu reden begann.

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