Das Sakrament
untadeligem Ruf als Begleitung mitzugeben. Dann erlebte er kurz vor seinem Aufbruch eine große Gnade, die ein helles neues Licht in die Nacht seiner düsteren Seele warf.
Unter den wenigen Männern, die man in der Schlacht in der Bucht von St. Paul gefangengenommen hatte, befand sich der schweigsame Äthiopier, der ihn im rosafarbenen Pavillon von Abbas bin Murad gepflegt hatte. Tannhäuser fand ihn in Ketten und knietief in menschlichem Unrat, wie er verwesende Leichen aus dem Graben rings um die Stadt zerrte. Tannhäuser kaufte ihn frei. Er wusch ihn und brachte ihm Kleider. Immer noch blieb der Äthiopier stumm. Sie saßen am Tisch im Refektorium der Herberge von England, und während sie aßen, musterte Tannhäuser den Mann gründlich.
»Ich will verdammt sein, wenn ich weiß, was ich mit dir machen soll«, sagte er.
Die Bedeutung dieser Worte schien der Äthiopier zu erahnen, denn er erhob sich und ging nach draußen. Tannhäuser folgte ihm. Der Äthiopier zeigte auf den weiten blauen Himmel im Süden.
Auf arabisch sagte er: »Nach Hause.«
Tannhäuser verschaffte sich mit viel guten Worten für eine Stunde Zugang zu La Valettes geheimer Bibliothek von Landkarten und kopierte mit seinen gebrochenen Fingern, so gut er konnte, was man von Ägypten und dem Horn von Afrika wußte. Er zeigte es dem Äthiopier, der das Rote Meer erkannte. Wenn er Ägypten durchqueren und das nördliche Ufer dieses Meeres erreichen könnte, glaubte der Äthiopier, dann könnte er bis zumsüdlichen Ende segeln und von dort aus den Landstrich überqueren, den er als Danakil bezeichnete, und sich auf den Weg in die Berge seiner fernen Herkunft machen. Es würde eine gefahrvolle und ungewöhnliche Reise werden, überlegte Tannhäuser, und einen Augenblick lang sprang der Funke der Begeisterung vom einen Mann auf den anderen über, und Tannhäuser spürte in seiner Brust den brennenden Drang, den Äthiopier auf seiner epischen Heimfahrt zu begleiten. Aber nur einen Augenblick lang. Das wäre eine andere Reise, in einer anderen Zeit, in einem anderen Leben, nicht in diesem.
Tannhäuser belud ein Maultier mit Vorräten und ritt mit dem Äthiopier über den Monte Salvatore zu den Ruinen von Zonra, wo Tannhäusers Boot immer noch verborgen lag. Sie zogen es hervor, bauten alles zusammen und ließen es zu Wasser. Tannhäuser erklärte dem Äthiopier, so gut er konnte, die Route nach Alexandria und sagte ihm, von welchen Gestirnen er sich leiten lassen sollte. Er gab ihm ein Pfund Opium und türkisches Silbergeld, mit dem er unterwegs bezahlen konnte, und bat ihn, in Alexandria Mosche Mosseri aufzusuchen, ihn um Rat zu bitten und den Namen Sabato Svi zu erwähnen.
All dies nahm der Äthiopier hin wie ein Mann, der wußte, daß die Hand Gottes sein Boot steuern würde. Schließlich vertraute ihm Tannhäuser die Muskete aus Ebenholz und Silber an, die Bors so sehr geschätzt hatte.
»Wenn du keinen Erfolg hast«, meinte Tannhäuser, »wird es gewiß nicht an deiner mangelhaften Ausrüstung liegen.«
Der Äthiopier lächelte, und dieses Lächeln war Mattias wie ein Juwel, das er immer sorgfältig hütete.
Den Namen des Mannes erfuhr Tannhäuser nie, erfragte ihn bis zum Schluß nicht, denn er wußte, daß er ihn nie wiedersehen würde. Der Äthiopier umarmte ihn, kletterte an Bord seiner Felukke und hißte das Lateinsegel.
Tannhäuser stand da und schaute ihm nach, bis das rote Segel im Dunst verschwand.Als Tannhäuser selbst von der Insel fortfuhr, winkten ihm Carla und Orlandu vom Kai aus nach. Dieser Abschied zerriß ihm beinahe das Herz. Er wußte nicht, ob er die beiden jemals wiedersehen würde, ob er sie überhaupt wiedersehen wollte. Das war dumm, denn er spürte eine schreckliche Liebe zu Carla und eine ungewöhnliche Zuneigung zu dem Jungen, für die das Wort »Liebe« zu schwach schien. Aber so war es eben. Er mußte gehen. Orlandu konnte das nicht begreifen und brachte »das berühmte Abenteuer« zur Sprache, das Tannhäuser einmal für sie beide vorgeschlagen hatte.
»Wenn du deine Mutter ehrst und etwas Nützliches lernst, dann kommt es eines Tages vielleicht dazu«, erwiderte ihm Tannhäuser. »In der Zwischenzeit müssen sich unsere Wege trennen, denn ich habe im Norden einiges zu erledigen.«
Carla machte ihm den Abschied nicht noch schwerer, indem sie versuchte, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Sie kämpfte tapfer gegen die vielen Gefühle an, die in ihr tobten. Sie versuchte zu verstehen, warum er allein reisen
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