Das Sakrament
Reihe waren. Alle außer dem zweiten schauten auf Mattias. Sie sahen nichts als einen jammervollen kleinen Jungen. Vom Dorf hörte man galoppierende Hufe, doch Mattias scherte sich nicht darum. Finsternis stieg in ihm auf.
Er stieß mit seinem Dolch zu.
Verglichen mit dem Schmiedehammer und der Zange schien ihm die Klinge papierzart, und doch stieß er sie zweimal in den Rücken des ersten Fremden, als wären dessen Rippen aus Stroh. Der Kerl seufzte auf, seine Hose schlang sich ihm um die Knöchel, so daß er mit dem Hintern in der Luft auf alle viere fiel und wie ein erschöpfter Hund hechelte. Mattias beförderte ihn mit einem gezielten Tritt in den Schlamm und stapfte weiter.
Der zweite Kerl, der über seiner Mutter lag, ahnte nichts Böses, bis Mattias ihm die Mütze vom Kopf riß und ihn an den Haaren packte. Mattias nahm einen verwirrten Blick der Entrüstung in seinen Augen wahr, als hätte man ein Kind unvermutet von einem Topf voller Zuckerwerk weggezerrt. Dann hieb er dem Mann die Klinge durch die Wange, zog sie heraus, stach noch einmal zu.
Schließlich hielt Mattias inne und keuchte. Einen lauten Schrei ausstoßend, schaute er die anderen drei Teufel an, die fassungslos zusahen und auf der anderen Seite des Pferdekadavers zurückwichen. Einer kam dann wieder zu Sinnen und zog den Bogen vom Rücken. Er nestelte einen Pfeil aus dem Köcher und ließ ihn zu Boden fallen. Mattias wandte sich ab und schaute seine Mutter an. Auf einmal verflog sein Wahnsinn. Er kniete bei ihr nieder, ergriff ihre Hand und drückte sich ihre Finger an die Wange. Die Finger waren noch warm, und eine Hoffnung zuckte ihm durchs Herz. Er schaute auf, doch ihre wilden blauen Augen starrten blind zum Himmel empor. Ein heftiger Schmerz durchbohrte sein Herz, und er schluchzte in die Hand, die er an sein Gesicht preßte.
Sein Kopf zuckte hoch, als er ein Krachen hörte, das lauter war als jeder Donner. Der Kerl, der den Pfeil an den Bogen geführt hatte, stürzte zu Boden. Die beiden anderen Schänder fielen auf die Knie und plapperten wie Wahnsinnige, während ihre Stirn den Staub berührte.
Mattias wandte sich um und nahm einen Anblick wahr, wie er ihn noch nie gesehen hatte.
Ein Mann, der eher wie ein Gott wirkte, saß auf einem grauen Araberhengst, aus dessen Nüstern zwei Atemwolken aufstiegen, die Mann und Pferd wie Phantome aus einem Märchen erscheinenließen. Der Reiter war jung und stolz und von dunkler Hautfarbe, mit hohen Wangenknochen und einem feinen Bart. Er trug einen scharlachroten Kaftan, weite scharlachrote Hosen und gelbe Stiefel, und sein schneeweißer Turban war mit einer Brosche aus Diamanten verziert, die bei jeder Bewegung funkelten. Am Gürtel hatte er ein Krummschwert, dessen Griff und Scheide mit glitzernden Edelsteinen besetzt waren. In seiner Hand rauchte eine Pistole mit langem Lauf, die mit Silber ziseliert war. Der Mann hatte braune Augen, die sich mit einer gewissen Zuneigung auf Mattias richteten.
Später sollte Mattias erfahren, daß dieser Krieger ein Hauptmann der Sari Bayrak war, der uralten und kühnen Wächter über das Waffenarsenal des Sultans, und daß er Abbas bin Murad hieß.
Hinter dem Hauptmann tauchten zwei weitere scharlachrote Reiter auf. Auf der Straße dahinter bekämpften die Dorfbewohner ein Feuer, rannten verzweifelt hin und her, zerrten Möbel aus ihren Behausungen, brachten Kinder und alte Leute vor den Flammen in Sicherheit. Durch diesen Aufruhr ritten etwa zwölf weitere scharlachrote Reiter, die mit Lanzen und Peitschen die plündernden Fußsoldaten fortjagten. Abbas steckte seine Pistole in das Halfter am Sattel zurück. Er schaute auf die leblose Frau, die geschändet über dem Pferdekadaver lag. Dann blickte er wieder zu Mattias und sagte etwas. Obwohl Mattias die Worte nicht verstand, wußte er doch, was er gefragt wurde.
»Dies ist deine Mutter?«
Mattias nickte.
Abbas bemerkte den Dolch in der Hand des Jungen und das Hemd, das ihm blutbefleckt am Körper klebte. Er schüttelte den Kopf und schaute an Mattias vorbei, wo der erste Mann lag, den der Junge erstochen hatte. Der zweite kroch halbnackt und laut jammernd durch den Schlamm. Einer der Adjutanten ritt vor und zog das Schwert. Mattias starrte voller Bewunderung auf eine makellose Damaszenerklinge. Der Adjutant hielt bei dem jammernden Kerl an und lehnte sich vor. Beinahe völlig geräuschlos hob und senkte sich das Schwert.
Abbas ritt zu Mattias herüber und streckte ihm die Hand entgegen.
Mattias
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