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Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman

Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman

Titel: Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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eine Chance. Falls sie zur Sentruper Höhe oder zur Innenstadt abgebogen war, konnte ich den Tag genauso gut aus dem Kalender streichen.
    Unmittelbar vor dem Aasee atmete ich auf. Eine nach vorn gebeugte Gestalt mit langen, wehenden Haaren radelte ins Licht der Straßenlaternen, die die Aaseebrücke beleuchteten. Brenda.
    Der Rest war ein Kinderspiel. Keine hundert Meter weiter fuhr sie nach rechts, zur Aaseestadt, und kurz darauf schob sie ihr Zweirad in den überdachten Fahrradständer eines vierstöckigen Apartmenthauses.
    Ich wartete, bis auf der rechten Seite der dritten Etage Lampen eingeschaltet wurden. Dann konsultierte ich das Klingelbrett. Ich hatte die Wahl zwischen einem Hafik Aziz und einem oder einer B. Schulte. Mein detektivischer Instinkt sagte mir, dass B. Schulte die Richtige war.
    Zunächst machte ich gar nichts. Sie war zwar müde, aber womöglich durch die Arbeit noch zu sehr aufgeputscht. Aus strategischen Gründen war der Zeitpunkt ebenfalls ungünstig, und schließlich brauchte ich für meinen Plan eine anständige Verkleidung.
    Ich ging zum Hymercar zurück und fuhr nach Mauritz, einen Stadtteil, in dem der gut verdienende Mittelstand und ein paar steinreiche Unternehmer zu Hause waren.
    Mein alter Freund Thomas war inzwischen in die Klasse derjenigen aufgestiegen, die das Fälschen der Einkommenssteuererklärung nur als eine Art Gesellschaftsspiel ansehen. Schuld daran waren seine neue Frau, eine Innenarchitektin, die Leute mit viel Geld und wenig Geschmack beriet, und sein Ehrgeiz, ihr zu beweisen, dass sich auch ein linksliberaler Schlaffi mit gesellschaftskritischem Engagement und altruistischen Vorstellungen in einen knallharten Geschäftsmann verwandeln kann.
    Konsequenterweise hatte er seine psychotherapeutische Tätigkeit auf Managertrainings spezialisiert, die er mit Vorliebe im Mittleren Westen der USA oder in der australischen Wüste durchführte. Hier lernten die Manager, Insekten zu essen, Schlangen anzufassen oder ohne Sattel auf Pferden zu reiten. Der Sinn der Übung bestand darin, die Angst und den inneren Schweinehund zu überwinden, zum Beispiel die Angst vor sozialem Gewissen, wenn mal wieder hundert verdiente Mitarbeiter auf die Straße gesetzt werden mussten. Natürlich zahlten die Unternehmen gern Thomas’ horrende Preise, wenn das leitende Personal derart gestählt zurückkam.
    Thomas und die Innenarchitektin wohnten in einer zweistöckigen Villa mit Blick auf einen Ententeich. Ich checkte das Haus, den Ententeich und die parkenden Autos, die Luft schien rein zu sein.
     
    »Da hast du aber Glück gehabt«, sagte Thomas. Er trug einen gestreiften, seidenen Pyjama unter einem bordeauxroten Hausmantel. Sein früher einmal grau meliertes Haar strahlte in jugendlicher Schwärze. Fast kam es mir vor, als sei es in der Zwischenzeit voller geworden. »Morgen Mittag fliege ich in die USA.«
    »Glück ist mein zweiter Vorname«, sagte ich.
    »Komm rein! Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?«
    Wir gingen in das, abgesehen von ein paar sehr teuren Möbeln, fast leere Wohnzimmer. Er öffnete einen Barschrank und holte eine Flasche heraus, die ebenfalls sehr teuer aussah.
    »Für mich nicht«, wehrte ich ab. »Ich bin in Eile, und meine Anwesenheit könnte dich in Gefahr bringen.«
    Er grinste neugierig. »Du bist auf der Flucht?«
    »Ja, obwohl ich nichts verbrochen habe.«
    »Das musst du mir erklären.«
    »Ein andermal, die Geschichte ist zu lang. Außerdem hat sie zu viele Lücken und noch kein anständiges Ende.«
    Er schaute mich nachdenklich an. »Welchen Gefallen soll ich dir tun?«
    »Einen klitzekleinen. Ich brauche einen seriösen, dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine dezente Krawatte.«
     
    Nach nur vier Stunden Schlaf erhob ich mich von dem ausklappbaren Bett im Hymercar und brach zu einem Jogginglauf am Aasee auf. Normalerweise lehnte ich es ab, meinen Körper derart zu schinden, aber eine bessere Methode, nicht so auszusehen, als sei ich gerade aufgestanden, fiel mir nicht ein.
    Morgens um sechs war die Strecke am Aasee belebter als die Innenstadt. Jogger beiderlei Geschlechts, mit und ohne Walkman, zeigten mir die Sohlen ihrer Markenlaufschuhe. Ich kam mir vor wie ein weißer Läufer unter lauter Kenianern.
    Nach zwanzig Minuten beschloss ich, dass ich mich genug gequält hatte, kehrte zum Reisemobil zurück, nahm eine kurze Dusche und ein ebenso knappes Frühstück.
    Dann zog ich Thomas’ Anzug an. Bei ausreichender Ernährung hatte ich rundere Hüften

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