Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman
landete.
»Passen Sie doch auf, Mann!«, fauchte der Halbgott.
»Entschuldigung«, hauchte ich.
Mit angewidertem Gesicht zog er mich hoch. »Schon gut.«
Und weg war ich.
Im Institut für Virologie nahmen die einfachen Angestellten innerlich Haltung an, die Frauen und Männer mit den Doktortiteln auf den Ansteckern nickten mir, nachdem sie kurz zusammengezuckt waren, mit verlegenem Lächeln zu. Die ganze Wirkung ging von dem simplen, silberfarbenen Schild mit schwarzen Buchstaben aus, das an meiner Brusttasche heftete. Es wies mich als Professor Keilmann aus.
In der ersten Etage schnappte ich mir einen Doktor Vonnekötter, der wohl noch ein paar Jahre von seinem dreißigsten Geburtstag entfernt war.
»Eine verdammte Sauerei ist das«, schimpfte ich. »Die schicken einen hin und her wie einen Idioten.«
Seine Augen wurden matt vor Ehrfurcht. »Worum geht’s denn, Herr Professor?«
»Ich bin konsultativ hinzugezogen worden, diese Kapuzinergeschichte, aber einen Lageplan, den gibt’s natürlich nicht. Ich soll zum … wie hieß es noch gleich?«
»Da sind Sie hier völlig verkehrt«, versicherte Doktor Vonnekötter. »Wir untersuchen keine Kapuziner.«
»Weiß ich doch, weiß ich doch. Es geht um diese … äh …«, ich fuchtelte in der Luft herum, »… Epidemie in Schapdetten. Große Sache, Sicherheitsstufe eins. Helle Aufregung im Ministerium, die Ministerialdirigenten scheißen sich in die Hose: Kommen Sie sofort, Herr Professor! Aber wo ist es denn nun?«
Vonnekötter grinste schelmisch und senkte die Stimme. »Ich habe davon gehört. Es wird tatsächlich ein großes Geheimnis daraus gemacht. Angeblich haben ein paar Leute vom Hamburger Tropeninstitut das Kommando übernommen.«
Ich winkte ab. »Eitle Fatzkes, aber was soll’s. Wir arbeiten ja alle für die Wissenschaft. Also, wo ist es?«
»Die Zentralstelle für Tierpathologische Forschung. Gleich hinter der Augenklinik müssen Sie links abbiegen, dann sehen Sie nach hundert Metern so einen grauen Kasten, ohne Türschild.«
Der Kasten war so grau und dezent, dass man ihn leicht übersehen konnte. Schmale Fenster gab es nur in den oberen Etagen, und ein hoher, breiter Schornstein verriet, dass hier auch ehemals Lebendiges verbrannt wurde. Auf dem Bürgersteig parkten mehrere Kastenwagen und Mercedesse mit Hamburger und Düsseldorfer Kennzeichen.
Ich schlenderte am Eingang vorbei und wurde sofort von zwei Männern geortet, die sich im Zwischenraum der Doppeltür aufhielten und so aussahen, als wären sie von Natur aus misstrauisch. Da ich starke Zweifel hegte, ob ihnen mein Professorentitel imponieren würde, ließ ich es lieber nicht darauf ankommen. Stattdessen ging ich weiter bis zu dem großen Fahrradparkplatz, der sich fünfzig Meter aufwärts befand, legte meinen Titel und das Schild ab und setzte mich auf einen Steinblock. Im Detektivberuf kommt es manchmal auf Finesse und meistens auf Geduld an. Für Finesse hatte ich heute schon gesorgt, jetzt war die Abteilung Geduld gefragt.
Gegen ein Uhr mittags ging meine Rechnung auf. Bei Menschen, die von frühmorgens bis spätabends arbeiten, gibt es immer wieder Momente, in denen sie die labbrigen Pizza-Blitz-Pizzen leid sind und mal was anderes sehen wollen als die ewig gleichen, in diesem Fall wahrscheinlich sogar gekachelten Wände.
Vier Männer und eine Frau kamen aus der Tierpathologischen Zentralstelle heraus und gingen mit strammem Schritt in Richtung Domagkstraße. Ich folgte ihnen in gleichem Tempo, und fünf Minuten später wusste ich, dass meine Hoffnung, dass sie die Angestelltenkantine aufsuchen würden, nicht getrogen hatte.
Schnell verwandelte ich mich wieder in Professor Keilmann und stellte mich hinter ihnen in die Reihe. Die vier Männer setzten sich gemeinsam an einen Tisch, die Frau ging zu einer allein essenden Geschlechtsgenossin, offensichtlich eine Freundin oder Bekannte.
Meinerseits nahm ich einen Erbseneintopf mit Fleischeinlage, der wesentlich besser aussah, als er schmeckte, und bezog eine Warteposition.
Die fünf Affenforscher standen mächtig unter Druck und schlangen ihr Essen in Rekordzeit herunter. Nach einer Viertelstunde war ihre Mittagspause bereits wieder Vergangenheit. Aber die Frau, mit der sich die Forscherin unterhalten hatte, saß noch immer an ihrem Tisch, mittlerweile in einer Zeitschrift blätternd.
Ich gönnte mir einen Vanillepudding als Nachtisch und okkupierte unaufgefordert den frei gewordenen Stuhl.
Nach dem ersten Löffel
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