Das scharze Decameron
anderen Ort gehen. Wir wollen aber unsere Wanderung gemächlich fortsetzen, denn die Arbeit an diesem Ort hat mich so erschöpft, daß ich mich unterwegs erholen muß.« Die drei Brüder machten sich auf den Weg.
Nachdem sie lange Zeit auf Wanderschaft gewesen waren, kamen sie an einen Ort, in dem wohnte ein Agellid, der war ungeheuer reich und hatte eine Tochter, die wollte er keinem Manne zur Frau geben, weil er keinen Mann fand, der dem Agellid an Reichtum und Macht gleichkam. Der Agellid wollte gerade ein großes Haus für seine Tochter bauen lassen, als die drei Brüder ankamen. Der Agellid konnte aber keine Maurer und Holzschnitzer finden. Er bot hohe Bezahlung.
Der Nsäni kam zu dem Agellid und sagte: »Wir sind drei Brüder, deren Vater und Mutter gestorben sind. Nun suchen wir Arbeit und ein Haus, in dem wir essen können.« Der Agellid sagte: »Welche Arbeiten versteht ihr?« Der Nsäni sagte: »Mein einer Bruder ist Maurer; mein zweiter Bruder ist ein Holzschnitzer; ich bin ein Nsäni.« Der Agellid sagte: »Deine Brüder sollen ihre Arbeit sogleich beginnen. Ich werde sie gut bezahlen. Und du? Du bist also ein Nsäni; ja, Nsäni, was soll ich denn von dir machen lassen?« Der Agellid wußte nicht, was ein Nsäni ist. Der Nsäni sagte: »Die Arbeit der Nsäni wissen sich nur die Frauen zunutze zu machen. Frage also deine Tochter, ob sie für mich etwas zu tun hat.«
Der Agellid ging zu seiner Tochter. Seine Tochter lebte in einem Hause, das war mit sieben Türen geschlossen. Der Agellid sagte zu seiner Tochter: »Meine Tochter, da ist ein Nsäni! Hast du Arbeit für ihn?« Die Tochter rief: »Was sagst du da? Ein Nsäni ist da? Du fragst, ob ich Arbeit für ihn habe? Gewiß habe ich Arbeit; soviel, als er ertragen kann. Du willst mich ja doch nicht verheiraten, und so muß ich sehen, wie ich an anderen Dingen meine Freude habe. Schicke mir also den Nsäni, so werde ich ihm in meiner Wohnung seine Arbeit, sein Lager und sein Essen geben.« Der Agellid ging und sandte den Nsäni zu seiner Tochter.
Die Tochter des Agellid begrüßte den Nsäni und sagte: »Was verstehst du?« Der Nsäni sagte: »Ich bin ein Nsäni und verstehe mein Handwerk.« Die Tochter des Agellid sagte: »Wir wollen wetten, wer in einer Woche dein Handwerk besser versteht, du oder ich. Wenn du eher ermüdest, will ich dich töten lassen, wenn ich eher ermüde, werde ich dir eine goldene Puppe und eine Kiste voll Gold schenken. Bist du hiermit einverstanden?« Der Nsäni sagte: »Ja, hiermit bin ich einverstanden. Zeige mir das Lager.«
Die Tochter des Agellid bereitete dem Nsäni in einer Kammer neben ihrer eigenen ein gutes Lager. Dann sagte die Tochter des Agellid: »So, nun lehre mich dein Handwerk. Ich muß von vorne anfangen.« Der Nsäni sagte: »Es handelt sich zuerst darum, den Anfang des Fadens in das Öhr der Nadel zu stecken. Wir werden das üben. Der Faden ist vierzehn Knoten (damit ist Handbreite gemeint) lang. Am ersten Tage nehmen wir einen Knoten, am zweiten zwei, am dritten drei. Wenn ich gleich alle vierzehn Knoten durch das Öhr ziehen würde, würdest du sterben. Nun lege dich nieder.«
Am ersten Tage fiel die Tochter des Agellid in Ohnmacht. Am zweiten Tage stöhnte die Tochter des Agellid. Am dritten Tage sagte die Tochter des Agellid: »Noch einen Knoten.« Am achten Tage rief die Tochter des Agellid: »Alle Knoten! Alle Knoten!« Der Nsäni sagte: »Laß das; ich würde dich töten.« Am neunten Tage kam der Agellid und wollte sehen, wie es seiner Tochter gehe. Als er die zweite Türe öffnete, hörte ihn seine Tochter. Sie sprang auf und sagte: »Schnell, spring in diese Truhe.« Die Tochter des Agellid ließ den Nsäni in die Truhe steigen und schloß über ihm den Deckel. Der Agellid kam und sprach mit seiner Tochter.
Mittlerweile kam aber dem Nsäni die Angst an, und er mußte sein Wasser abschlagen. Das Wasser lief unten aus der Truhe heraus und in die Mitte der Kammer. Der Agellid sagte: »Was ist dies für eine Flüssigkeit?« Die Tochter des Agellid sagte: »Es ist eine Flasche mit Parfüm zerbrochen und ausgelaufen.« Der Agellid bückte sich, netzte seinen Finger mit der Flüssigkeit und führte ihn zur Nase. Der Agellid roch an der Flüssigkeit und sagte: »Es ist wahr; dies Parfüm riecht ausgezeichnet.« Dann ging der Agellid.
Die Tochter des Agellid öffnete die Truhe und ließ den Nsäni heraussteigen. Die Tochter des Agellid sagte: »Ich habe dir das Leben gerettet.« Der Nsäni sagte:
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