Das Schattenkind
Frauen, die durch irgendeinen genetischen D e fekt unfruch t bar sind."
"Sie sollten sich jetzt nicht an diesen Gedanken klammern", sagte Roy Winslow. "Könnte es nicht sein, daß Sie wirklich nur ein Kind geboren haben? Und selbst wenn David Ihr Sohn wäre, für Sie besteht nicht die geringste Chance, den Kleinen zu bekommen. Immerhin können Sie nicht beweisen, daß er ihr Sohn ist. Außerdem sollten Sie nicht vergessen, er ist auf jeden Fall ein Thorburn. Der jetzige Lord Thorburn."
Laura strich über das Foto. "Ich will David nicht schaden", erw i derte sie und spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. "Ich möchte nur bei ihm sein, ihn beschützen, wenn es nötig werden sollte." Sie blickte zur Tür. "Ich habe mir weder den Schatten noch die Stimme eingebildet. David braucht meine Hilfe."
Muriel Winslow dachte nach. "Es passieren auf der Welt so viele rätselhafte Dinge, also ich will nicht abstreiten, daß Sie wirklich etwas gehört und gesehen haben", sagte sie. "Ich kann auch sehr gut verst e hen, daß Sie nach England wollen."
"Mutter!"
"Roy, wir können Laura nicht zurückhalten", mahnte Mrs. Win s low. "Aber wir sollten alles versuchen, um ihr zu helfen." Sie schenkte der jungen Frau ein Lächeln. "Ich werde Ihnen ein Empfehlungsschre i ben an die Thorburns mitgeben. Mag sein, daß es Ihnen hilft, auf Tho r burn Hall Einlaß zu finden."
"Danke, Muriel." Laura ergriff überwältigt die Hände ihrer Arbei t geberin. "Bitte glauben Sie mir, ich arbeite sehr gerne für Sie. Es fällt mir nicht leicht, Sie im Stich zu lassen, vor allen Dingen jetzt vor der Party, aber mein Sohn braucht mich."
Roy Winslow stieß heftig den Atem aus. "Ich halte es für eine Wahnsinnsidee", sagte er. "Aber ich sehe ein, daß Sie auch ohne me i nen Segen nach England reisen würden." Spontan legte er seine Hände auf ihre Schultern. "Am liebsten würde ich Sie begleiten, aber m o mentan geht es nicht."
"Wie sollten wir den Thorburns erklären, weshalb mich der Sohn meiner früheren Arbeitgeberin begleitet?" Laura mußte über sein b e sorgtes Gesicht lächeln. "Es wird schon alles gutgehen. Machen Sie sich keine Sorgen. Eines kann ich ohnehin versprechen. Sollte ich feststellen, daß ich mich geirrt habe, werde ich nichts unternehmen, was Davids Stellung untergraben könnte."
"Das beruhigt mich", gestand Roy. "Aber Sie müssen uns auch noch versprechen, sehr vorsichtig zu sein, gleich, was für Verhältnisse Sie auf Thorburn Hall vorfinden, Laura. Und vor allen Dingen, sollten Sie nicht vergessen, daß Sie sich jederzeit an uns wenden können. Wir sind immer für Sie da."
"Ich werde es nicht vergessen", versprach die junge Frau gerührt. "Ich bleibe auf jeden Fall mit Ihnen und Ihrer Mutter in Verbindung." Sie blickte zum Telefon. "Am besten, ich rufe jetzt erst einmal den Flughafen an und frage, wann die nächste Maschine nach London geht."
"Das werde ich für Sie erledigen." Roy nahm den Hörer ab. "Sie sollten damit beginnen, Ihre Koffer zu pa c ken."
Muriel stand auf. "Ich helfe Ihnen dabei, Laura, dann geht es schneller", sagte sie. "Vielleicht können wir meinen Sohn auch noch überreden, Sie zum Flughafen zu bringen."
"Warum weigere ich mich nicht einfach?" fragte Roy. "Warum b e haupte ich nicht, daß jede Verbindung zum Festland u n terbrochen ist?"
"Weil du dir klar darüber bist, daß Laura dennoch Mittel und Wege finden würde, um nach England zu kommen", erwiderte seine Mutter und verließ mit der jungen Frau das Zimmer. "Mein Sohn liebt Sie, Laura", sagte sie, als sie die Treppe zum ersten Stock hinaufsti e gen."
"Ich weiß." Die junge Frau nickte.
"Sie müssen sich deswegen nicht schuldig fühlen." Muriel legte den Arm um Lauras Schultern. "Roy wird darüber hinwegkommen. Liebe kann man nicht erzwi n gen."
5.
Es war das erste Mal seit einundzwanzig Jahren, daß Laura N e wman wieder englischen Boden betrat. Sie fragte sich, weshalb sie nie daran gedacht hatte, nach England zurückzukehren. Gut, Italien war für sie zur Heimat geworden, doch in England war sie schließlich geboren. Hier hatten ihre Vorfahren gelebt, ihre Eltern.
Die junge Frau wurde von den widersprüchlichsten Gefühlen b e herrscht. Einerseits freute sie sich in England zu sein, andererseits hatte sie Angst vor dem, was sie auf Thorburn Hall erwartete. Was sollte sie tun, wenn man sie nicht einstellen würde? Immerhin kannte die jetzige Lady Thorburn Mrs. Winslow nicht einmal. Muriel hatte bereits in Italien gelebt, als Samuel Lord
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