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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Draußen
    Hinter der Gardine in dem Fenster da oben hatte sich etwas bewegt, nur kurz. Lukas wäre das entgangen, wenn er nicht zum wiederholten Mal in den regentriefenden Himmel geschaut, den letzten Schluck aus der Bierflasche gekippt undd en Sonntag und seinen Erfinder verflucht hätte. Einen Moment spürte er beinahe seine Knie auf dem Holz der Kirchenbänke und das Messdienergewand, das komischgerochen hatte, auf den Schultern. Solche Sonntage waren vorbei, längst und ein für alle Mal. Robin und Pascal trotteten vor ihm her und kickten abwechselnd eine Bierdose über den Gehweg. Scheißtag, sagte Pascal, und Robin brummte Zustimmung. Der Kumpel von Pascal, der angeblich noch was im Kühlschrank hatte, war nicht da gewesen. Also mussten sie wieder zurück. Der dämliche Kiosk hatte auch zu. Scheißtag, schloss sich Lukas an.
    Pascal blickte sich zu ihm um. »Hast du auch schon was zu motzen?«
    Die beiden machten immer ihr eigenes Ding. Lukas zog die Kapuze über den Kopf – Scheißtag und Scheißregen; sollten sie doch – und stellte die leere Flasche auf einen Zaunpfeiler.
    »He, Penner.« Pascal taumelte zur Seite, spreizte die Arme, als ob er gleich stürzen würde, fing sich und nahm breit­beinig den Gehweg in Beschlag. Erst da entdeckte Lukas den Winzling, der Pascal angerempelt haben musste.
    »Ich hab doch gar nichts gemacht.« Keine Fünfzehn und schon die große Fresse.
    Aber Pascal hatte ihn. »Pass mal gut auf.« Er hielt ihn am Sweatshirt.
    »Lass den doch«, sagte Robin.
    »Soweit kommt’s noch.« Pascal ließ nicht locker und der andere ruderte mit den Armen. »Was hast’n hier überhaupt zu suchen? Auf meiner Straße?«
    »Deine Straße, klar doch, Blödmann. Ich warte auf’n Bus.«
    Pascal sah sich um. »Findste immer noch, dass ich den lassen …« Kurz und hart schlug er zu. Der Kopf vom Hänf­ling flog nach hinten. Pascal ließ ihn los und der Typ krachte auf die Bank vom Wartehäuschen. Aber rasch war er wieder auf den Beinen.
    »Sag mal deinem Kumpel, dass der ‘ne Vollmacke hat«, sagte der Junge zu Robin.
    »Pass ma auf, dass du nicht …« Robin schlug mit dem Handrücken nach ihm, ohne sein Bier loszulassen, das demTypen auf Gesicht und Kleidung spritzte, während der Robins Hand abfing.
    »Habt ihr se noch alle, ihr Arschlöcher?«
    Ganz schön mutig. Pascal holte aus und langte richtig hin. Der Junge ging zu Boden.
    »Der hat genug«, sagte Lukas und beobachtete, wie sich der Kleine allmählich aufrappelte.
    »Längst nich.« Pascal trat ihm die Beine weg, ein Blitzen in den Augen. Das kannte Lukas. Das ging nicht gut aus. Er wollte weg. Robin schlug dem Knirps seine Faust in den Magen, er krümmte sich, landete auf den Knien.
    »Lasst uns abhauen.« Lukas sah um sich. Die Straße war leer.
    »Ich werde euch anzeigen«, brabbelte der Junge.
    »Ha!« Das fehlte noch. Lukas trat ihn zwischen die Schulterblätter, wurde zurückgerissen, weggezerrt. Ein fremdes Gesicht, aus den Augenwinkeln. Schreie der Kumpels. Dann plötzlich frei, Lukas stolperte. Das Gesicht war verschwunden.
    Pascal hielt Robins Bierflasche in der Hand. »Weg hier!«

1
    Der Tag begann mit Kopfschmerzen und am falschen Platz im Leben. Julia erhob sich, ohne den Körper neben sich zu berühren, trat ans Fenster. Über der Stadt das Dämmern wie Blei, eine Straße, die sie nicht kannte. Die Erinnerung, wie sie in dieses Zimmer geraten war, im Nebel.
    »Kaffee?«
    Julia drehte sich um und stöhnte innerlich. Hübscher Typ. Eigentlich. Nur zu jung, zu groß mit viel zu vielen Muskeln. Wie hatte das passieren können?
    »Ohne Frühstück«, sagte sie in Erinnerung an einen Film, den sie einmal gesehen hatte. Da war es umgekehrt gewesen. Sie schlüpfte in ihre Kleider und suchte den Autoschlüssel. Restalkohol.
    »Deine Handynummer«, kam es vom Bett.
    »Klar«, sagte sie und zog die Tür hinter sich zu.
    Ihr Golf stand ein paar Straßen stadtauswärts. Die Seiten­scheibe war eingeschlagen und das Radio herausgerissen, unprofessionell. Münster-Kinderhaus. Sozialer Wohnungs­bau. Hoher Ausländeranteil. Kriminalität. Gewalt. Armut. Es würde wenig Zweck haben, eine Anzeige gegen unbekannt bei den Kollegen aufnehmen zu lassen. Nieselregen setzte wieder ein. Sie wischte die Splitter vom feuchten Fahrersitz. Zwei Halbwüchsige schlenderten vorbei und kickten eine Coladose gegen die hintere Felge.
    Aus dem Rückspiegel starrte sie ihr Montagmorgen­gesicht an. Keine Anzeige. Nach Hause. Duschen, Kaffee, zum

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