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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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Das Gestrüpp zu beiden Seiten des Wegs wuchs wie die Wände eines Labyrinths in die Höhe und war jetzt deutlich größer als in seiner Erinnerung. Hinter ihm raschelten Schritte. Hatte man ihn gesehen? Verflucht, wieso hatte er dort länger als nötig verweilt? Er rannte schneller, riss sich die Hände am Dornengestrüpp auf und stolperte über seine eigenen Füße. Warum hatte er auch herkommen müssen? Es war schon fast dunkel; schon bald brach die Nacht herein.
    Dann verriet das silbrige Klingeln eines Glöckchens seinen Verfolger. Es war nur dieser Schoßhund mit der eingedrückten Schnauze. Bengo hatte wohl Angst, erneut allein zurückgelassen zu werden.
    «Verschwinde, du verfluchtes Vieh», schrie er das kleine Häuflein schlechtes Gewissen an, das ihm folgte. Doch der Hund blieb hinter ihm und verfolgte ihn eine Achtelmeile um die nächste. Alle paar Minuten glaubte er wohl, den Hund abgehängt zu haben, nur um wieder sein Getrappel und Geklingel zu hören. Endlich machte er in der Ferne die zusammengedrängten Dächer eines Dorfes aus und hörte das Läuten der Abendglocke. Und dann kreuzte noch ein Karren seinen Weg, der von einem zockelnden Esel gezogen wurde. Verzweifelt rief Kitt den Kutscher an.
«Taverna! Presto»
, drängte er und steckte dem überraschten Mann eine Münze zu. Unter der Plane, die über die Ladefläche gespannt war, starrte ihn eine Schar dunkler Gesichter neugierig und stumm an.
    Er sehnte das heiße Brennen von Schnaps herbei, der seine Kehle hinunterrann. Karten, eine gute Flasche Schnaps, der grüne Spieltisch – das war sein Reich. In der Tasche befingerte er die Rose, fuhr über ihre kühlen Kanten und überlegte, wie schnell er sie wohl versetzen konnte. Er musste eine Stadt finden, in der Betten und Brandy billig waren und man keine Fragen stellte. Er fühlte sich leicht wie Luft dank des schaukelnden Karrens. Als ob der unsichere Jüngling namens Kitt Tyrone mit seiner Schwester von Gottes Erdboden verschwunden wäre. Bis zu diesem Tag hatte er immer voll brennender Wut gegen die Ungerechtigkeiten seines Lebens gekämpft. Aber jetzt blieben nur noch unbeständige Ascheflöckchen aus Angst, die in seinem Innern zu Boden sanken.
    Er vergrub die Augen in den schmutzigen Fäusten. Das letzte Bild des Hundes konnte er einfach nicht verdrängen. Auch jetzt verfolgte es ihn, und es sollte ihm sein Leben lang dicht auf den Fersen bleiben. Besonders, wenn er erschöpft war oder allein oder – und das war am schlimmsten – wenn er vom Wachsein in den Schlaf hinüberglitt, hörte er das leise Japsen und die hastigen, kurzen Schritte. Selbst als er schließlich alle Hoffnung aufgab, Carinna irgendwann zu finden, und sich nur dem Vergessen hingab, das eine geleerte Flasche schenkte, verfolgte es ihn weiter. Und lange Zeit, nachdem all die Lire, für die er die Rose versetzt hatte, in geschickten italienischen Händen verschwunden waren, humpelte der bleiche Schatten hinter ihm durch die Dunkelheit. Bis zu seinem verzweifelten Ende stellte er sich immer wieder die klingelnde Reise dieses Hunds vor. Wie er schließlich die weiße Straße zurück zu den offenen Toren und dem verrottenden Festmahl lief.

II Die Küche von Mawton Hall
Am Tag vor Allerheiligen, Oktober 1772
Biddy Leighs persönliche Aufzeichnungen
    Mein bestes Rezept für Zierküchlein
    Ein Viertelscheffel Mehl mit sechs Pfund Butter und vier Eiern und kaltem Wasser zu einem Teig vermengen. Ausrollen und mit Tafeläpfeln und Quitten, süßen Gewürzen und Zitronenschale nach Geschmack füllen. Als süße Gewürze nehme ich Nelke, Muskatblüte, Muskatnuss, Zimt, Zucker und Salz. Die Küchlein verschließen und mit Zucker bestreuen. Gut durchbacken.
    Martha Garlands bestes Rezept,
    notiert auf einem Stück Packpapier, 1751
    J eder Koch und jede Köchin weiß, wie selten es ist, alle Zutaten für ein perfektes Gericht zur Hand zu haben. Aber an jenem Tag in Mawton Hall besaß ich alles, was ich brauchte: weiße, fleischige Tafeläpfel, rosige Quitten und eine Zimtstange, die wie ein leichter Wind auf den Westindischen Inseln roch. Mein Mehl war sauber, die Butter so gelb wie eine Butterblume. Die richtigen Zutaten allein genügen aber nicht. Das Rezept muss im Laufe der Jahre erprobt worden sein, bis es jemand mit wertvoller Tinte niederschrieb. Und dann ist da noch die Köchin. Nur sie kann beurteilen, wie lang man rühren muss. Nur sie hat die leichten Finger, um einen Teig gut durchzukneten. Es geschieht nicht häufig,

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