Das Schiff der Hoffnung
leidlich, nach Tarif, hatte es sich abgewöhnt, über rätselschwangere Entscheidungen des Chefredakteurs oder des Verlegers nachzudenken, und war ein kleines, surrendes Rädchen in der großen Maschinerie des Zeitungskonzerns.
Frank Hellberg hatte Marion Gronau am Baldeney-See bei Essen kennengelernt. An einem Sonntag am Steg der Segelboote. Er hatte in der Sonne gesessen, die Beine ausgestreckt und war aus seinem Dösen herausgerissen worden durch eine helle Mädchenstimme: »Nehmen Sie mal die Beine weg! Oder haben Sie den Bootssteg gepachtet?« Aus einer anfangs zornigen Unterhaltung entwickelte sich ein schöner Sonntagnachmittag, bis man drei Monate später Verlobung feierte. Hellberg nannte sich glücklich, er liebte Marion ehrlich und glaubte, daß er der Mann sei, auf den sie bisher gewartet hatte. Sie waren ja auch äußerlich ein ideales Paar. Beide schlank und sportlich, mit blonden Haaren und lebenslustig.
Karl Haußmann war noch immer in schlechter Stimmung, als Hellberg zu ihm kam, und die miese Laune sank noch tiefer, als Frank seiner Marion in der Tür einen Kuß gab.
»Ich finde es großartig von Ihnen, Herr Haußmann«, sagte Hellberg später bei einer Zigarette und einem Kognak, »daß Sie uns mitnehmen. Von mir aus hätte ich mir solch eine Reise nie leisten können. Das Teuerste ist ja immer die Fahrt. Aber für das tägliche Leben habe ich mir ein paar Scheinchen gespart. Hoffentlich schluckt das Hotelzimmer nicht so viel.«
»Wir wohnen im Hotel ›Palma‹«, sagte Haußmann leichthin. »Mit das beste am Platze.«
»O Himmel, ich sehe schwarz!« rief Hellberg.
»Keine Sorge. Fräulein Gronau hat mich unterrichtet. Ich habe für Sie ein Zimmer in der ›Pensione Luigi‹ reservieren lassen. Zwar etwas entfernt vom ›Palma‹, aber was sind Entfernungen im Urlaub, nicht wahr? Fräulein Gronau wohnt mit uns im ›Palma‹.« Haußmann lächelte Hellberg freundlich an. »Sie fährt ja halbgeschäftlich mit, ich werde diktieren müssen und disponieren, und die Firma gibt einen Urlaubszuschuß. Es macht Ihnen doch nichts aus, Herr Hellberg?«
»Aber nein, nein!« Hellberg hob die Schultern. »Es ist schon ein riesiges Entgegenkommen von Ihnen, mich umsonst mitzunehmen. Und für Liebende – Sie sagten es schon – gibt es keine Entfernungen.«
Er lachte, aber Haußmann lachte nicht mit. Junger, unreifer Affe, dachte er böse. Was Marion nur an ihm findet? Nun ja, jung ist er. Aber dagegen habe ich im Leben etwas erreicht, aus eigener Kraft, und bin eine Persönlichkeit. Und in Rimini werde ich auch zum glühenden Liebhaber werden. Fünfzig Jahre … das ist doch noch kein Alter!
Hellberg blieb eine halbe Stunde bei Karl Haußmann und verabschiedete sich dann. Man hatte abgesprochen, daß er mit Marion morgens um 7 Uhr bei Haußmanns sein wollte. Die große gemeinsame Reise sollte möglichst frühzeitig beginnen.
Im Flur vor dem Chefbüro fing ihn Marion ab. Sie fiel ihm um den Hals, küßte ihn und hakte sich bei ihm unter. »Ich freue mich ja so auf Rimini!« sagte sie mit schnurrender Stimme. »Es wird herrlich werden, Frank.«
»Leider wohnen wir weit auseinander, wie dein Chef sagt.«
»Was tut's?« Sie lachte und wiegte sich in den Hüften. »Zwischen dem ›Palma‹ und der ›Pensione Luigi‹ sind zwei Kilometer Pinienwälder. Ich habe in Prospekten nachgesehen. Und nirgendwo ist eine Nacht schöner als unter Sternen in einem Pinienwald.«
»Du bist zauberhaft frivol«, sagte Frank Hellberg. »Heiraten wir Weihnachten? Ich soll ab nächstes Jahr mehr Gehalt bekommen.«
»Zuerst kommt der Sommer, Franky.« Marion Gronau hakte sich wieder aus. Man kam in den allgemeinen Bürotrakt. »Du holst mich um halb sieben ab? Hast du schon gepackt?«
»Alles! Zwei Badehosen, eine Zahnbürste, drei Perlonhemden, zwei knitterfreie Hosen, zwei Paar Sandalen, einen Pullover. Eine ganze Aktentasche voll. Es ist alles so herrlich unkompliziert, wenn man nichts hat. Tschüs, Liebling!«
Er winkte Marion zu und lief dann die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend; ein großer, fröhlicher, unbekümmerter, lieber Junge, der sich freut, daß er verliebt ist.
Sinnend blickte ihm Marion Gronau nach.
Wenn er wüßte, wie alles in Wirklichkeit ist, dachte sie. Vielleicht werde ich ihn heiraten, denn eine Scheidung Haußmanns will ich nicht. So etwas belastet immer. Anders wäre es, wenn Erika Haußmann sterben würde … zu dem Witwer Haußmann würde ich sofort ja sagen.
Sie
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