Sanfter Mond - Hawthorne, R: Sanfter Mond - Dark Guardian - 02 Full Moon
Prolog
D er Vollmond ist zu meinem Feind geworden. Ich bin in einer Höhle und bereite mich auf die wichtigste Nacht meines Lebens vor.Vor ein paar Tagen bin ich siebzehn geworden. Heute Nacht wird der Vollmond am Himmel aufsteigen. Das Mondlicht wird mich einhüllen, und ich - Lindsey Lancaster - werde mich verwandeln …
In einen Wolf.
Ich bin eine Gestaltwandlerin und gehöre zu einer Spezies, die seit Jahrtausenden die Fähigkeit besitzt, von der menschlichen zur tierischen Gestalt überzugehen. Das Tier, in das mein Klan sich verwandelt, ist der Wolf.
Solange ich denken kann, habe ich dieser Nacht entgegengefiebert, aber in den vergangenen Wochen habe ich angefangen, ihre Ankunft zu fürchten, weil die Dinge plötzlich äußerst verwirrend und kompliziert wurden. Meine Gefühle spielten plötzlich verrückt. Mein Herz sagte mir etwas völlig anderes als mein Verstand.
Connor und ich sind seit eh und je eng befreundet. Unsere Familien sind in der äußeren Welt ständig zusammen, wo wir so tun, als hätten wir nicht jene unglaubliche Fähigkeit, und vorgeben, wie die Statischen zu sein, wie jene, die keine andere Gestalt annehmen können. Unsere Eltern
sind davon überzeugt, dass Connor und ich füreinander bestimmt sind.
Manchmal fürchte ich, dass Connor und ich uns von ihren Träumen für uns anstecken ließen und sie zu unseren Träumen gemacht haben. Eines Abends erklärte Connor mich vor allen anderen zu seiner Gefährtin. Ich war begeistert, dass er derart starke Gefühle für mich hatte, und dachte, dass ich dasselbe für ihn empfand. Unsere Familien feierten. Nach unserer Tradition ließ er sich meinen Namen in keltischer Schrift auf seine linke Schulter tätowieren - was bei uns einer Verlobung entspricht, womit unser Schicksal besiegelt war.
Aber dann kehrte Rafe diesen Sommer nach seinem ersten Collegejahr zurück, und ich begann, ihn auf völlig andere Art und Weise wahrzunehmen. Wenn er spricht, klingt seine tiefe Stimme ein wenig heiser - das ist so sexy. Er redet nicht viel, nur wenn er etwas Wichtiges zu sagen hat, und wenn er redet, kribbeln meine Fingerkuppen. Seine dunklen Augen halten mich gefangen und lassen mein Herz rasen. Und wenn er seinen gefährlichen Blick ein wenig tiefer wandern lässt, möchte ich in seinen Armen zerschmelzen, seinen Mund auf meine Lippen ziehen, um das Verbotene zu schmecken.
Er hat etwas Wildes an sich, liebt das Risiko. Er ist der große, böse Wolf - Entschuldigung für das Wortspiel. Und etwas in ihm ruft nach der Wildheit in mir … aber diesem Ruf kann ich nicht folgen.
Connor ist mein Schicksal.
Da er zwei Jahre älter ist als ich, hat er seine erste Wandlung schon hinter sich. Heute Nacht wird er mich durch
meine führen. Bewusst richte ich meine Gedanken auf Connor: sein blondes Haar, seine blauen Augen, sein schiefes Grinsen, das mich immer zum Lächeln bringt. Er wartet auf mich, um die wichtigste Nacht meines Lebens mit mir zu teilen. Er wird mich stützen, mich durch die Transformation führen und dafür Sorge tragen, dass ich überlebe. Wir werden eine tiefe Bindung von ewiger Dauer eingehen, während wir gemeinsam diese Erfahrung durchleben. So sollte es zumindest sein.
Ich betrachte mein Spiegelbild. Meine Augen sind hellbraun, aber ihre Farbe kann sich mit meiner Stimmung verändern. Heute Abend wirken sie eher blau als grün oder braun. Sie sehen traurig aus, obwohl sich doch in diesem Moment Vorfreude darin spiegeln sollte, jene erwartungsvolle Erregung, die ein Mädchen vor dem Abschlussball fühlt.
Mein weißblondes Haar fällt offen auf meine Schultern. Der weiße Samtumhang, den ich trage, umschmiegt meine nackte Haut, und Nervosität erfasst mich, als mir klar wird, dass mich bald das Mondlicht berühren wird - das Mondlicht und Connor.
Ich wende mich vom Spiegel ab und gehe zum Eingang der Höhle, wo ein Wasserfall unser Refugium vor jenen verbirgt, die nichts von seiner und unserer Existenz wissen. Ich gleite durch den Vorhang aus Wasser und gehe an dem stillen Wasserbecken entlang, in dem sich bald der aufsteigende Mond spiegeln wird.
Ich erspähe Connor, der geduldig auf meine Ankunft wartet. Mit einer schwarzen Robe bekleidet, streckt er die Arme aus, und ich lege meine Hände in seine. Seine Finger
- so lang, so ruhig, so beständig - umschließen meine Finger, die mir plötzlich zu zart und zerbrechlich erscheinen für das, was gleich geschehen wird. Als würde er meine Besorgnis ahnen, zieht er mich an sich. Seine
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