Das Schiff - Roman
Tor aus Chrom im lichtdurchlässigen weißlichen Schott zu, Richtung Bereitstellungsraum, wo uns Landefahrzeuge erwarten – gespenstisch graue, schnittige Schattengebilde.
Unser wunderschönes, gigantisches Schiff ist mit seiner Länge von zwölf Kilometern leider zu groß, um auf dem Planeten zu landen, und muss allein zurückbleiben. Früher einmal hatte es eine unförmige Kugel aus vereistem Felsgestein im Schlepptau, deren Durchmesser mehr als hundert Kilometer betrug. Diese Kugel war Schutzschild und zugleich unabdingbares Zubehör unserer interstellaren Reise. Nach wie vor schleppt das Schiff ein mittlerweile eigentlich überflüssiges Stück dieses kleinen Oort-Mondes mit, das allerdings nur einige Milliarden Tonnen wiegt. Als wir unsere Geschwindigkeit drosselten, war noch jede Menge Treibstoff vorhanden. Und jetzt umkreisen wir unseren Kandidaten Nummer eins.
Wie lange wir schon unterwegs sind?
Die endlos langen Jahre der Reise liegen wie kalte, stille Regionen hinter uns; wir können uns nicht mehr genau daran erinnern, es waren einfach zu viele.
Wie viele?
Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Sobald Zeit dafür ist, werde ich im Logbuch nachschauen. Jetzt müssen erst einmal die Gruppen ausgewählt werden, die als erste die Reise zum Planeten antreten dürfen.
Man ruft uns bei unseren neuen Namen, und wir stellen uns vor der Ladezone auf. Alle tragen Festtagskleidung, strahlend bunte Farbtupfer. Sehen und gesehen werden, darum geht es uns jetzt.
Sie ist hier! Und wirkt in ihrer schicken Kleidung – sie hat Blau, Beige und Grün gewählt – wagemutig und selbstbewusst. Große, tiefgründige Augen, hohe, breite Wangenknochen. Ihr bräunliches Haar ist jetzt kurz geschnitten. Als sie in meine Richtung blickt, überwältigt mich eine Welle der Zuneigung und Erregung. Im Landefahrzeug setzt sie sich nicht zu den anderen, sondern weiter nach hinten, neben einen freien Platz. Offensichtlich hofft sie, dass ich mich zu ihr geselle. Sie und ich gehören zur ersten Gruppe, die das Schiff verlässt.
Wir beide. Wir.
Ich erkenne so viele aus der Traumzeit wieder. Wir begrüßen uns freudig, wie alte Freunde, umarmen uns, schütteln uns die Hände, beglückwünschen einander, unterhalten uns lebhaft. Zwar müssen sich unsere Zungen erst wieder an die gesprochenen Worte gewöhnen, aber es brennt noch das alte Feuer in uns. Wir stehen uns viel näher als Familienangehörige. Während der langen kalten Reise haben wir Kämpfe miteinander ausgetragen, uns gestritten und liebgewonnen, voneinander
gelernt. Haben uns zu Teams zusammengefunden, sie wieder aufgelöst oder verändert, neue Teams gebildet und dadurch bei aller Verschiedenartigkeit ideale Zusammensetzungen erreicht. Nichts steht zwischen uns, nichts kann unsere Freude über den Rücksturz zu einer neuen Erde beeinträchtigen.
Ein sanfter Ruck geht durch die perfekt gestaltete Maschinerie …
Wir koppeln vom Schiff ab. Das Landefahrzeug ist nicht mal hundert Meter lang, eigentlich also ein winziges Ding, aber schnittig und neu.
Wie schnell jetzt die Zeit vergeht!
Ich löse meine Gurte, um ihr näher zu sein. Sie schimpft zwar mit mir, schlingt aber trotzdem die Arme um mich. Und das Gewebe gibt nach, das Netz dehnt sich aus. Wir lachen, als wir merken, dass viele andere unserem Beispiel folgen.
Jetzt sehen wir das Schiff von außen, in seiner ganzen beeindruckenden Länge, und staunen darüber, wie gut es immer noch in Schuss ist. Den jugendlichen Glanz hat es im Laufe der Jahre zwar eingebüßt, aber es ist unversehrt und wirkt wie ein nobler Beschützer …
Ursprünglich aus drei miteinander verbundenen Rümpfen konstruiert, ähnelt das Schiff jetzt zwei uralten, an der Basis miteinander verbundenen Stupas. Zum Schutz vor dem scharfen interstellaren Wind flossen früher leuchtende Plasmaströme wie Flüsse aus trübem Gold um die Schiffsrümpfe herum und vor ihnen her. Diese Ströme beförderten zugleich interstellare Staubteilchen – gefrorene, glasartige oder metallische
Teilchen – nach achtern, wo sie entweder zu Treibstoff verarbeitet oder zusammengeschweißt wurden, um die abgenutzten Außenschichten des Schiffs zu verstärken.
Jetzt glimmt nur noch ein letzter Plasmarest am kompakten Mittelstück des Schiffes, eine kümmerliche Bake. Einen Moment lang lenkt uns dieser Anblick ab, doch gleich darauf geben wir uns wieder dem wunderbaren, verblüffenden Gefühl hin, es geschafft zu haben. Schließlich hat man uns vor unserem Aufbruch
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