DAS SCHLOSS
beschleunigte seine Schritte, als er die erste Stufe der Kellertreppe erreichte.
Er erklomm die Treppe, lehnte die Tür hinter sich an, so wie er sie bei seiner Ankunft vorgefunden hatte und stand außer Atmen in der klaren Nachtluft. Fahles Mondlicht verlieh der Umgebung einen unheimlichen Blaustich.
Die Hände auf die Knie gestützt, atmete er tief durch. Schweiß lief über seine Stirn und tropfte ihm ins Gesicht. Er zitterte und wurde das Gefühl nicht los, sich ebenfalls jeden Augenblick übergeben zu müssen. Wieder und wieder lief die Kellerszene vor seinem geistigen Auge ab.
Vanessa.
Er musste sie da oben rausholen. So schnell wie möglich, bevor sie von einem der Leute dort unten im Keller entdeckt wurde. In was zum Teufel hatte er Vanessa da nur hineingezogen? Wieso war er auf die bescheuerte Idee gekommen, ausgerechnet dieses Schloss für sein Fotoshooting auszuwählen?
Er schob sich durch die Büsche, ohne sich die Mühe zu machen, die Äste beiseite zu biegen, die ihm immer wieder schmerzhaft ins Gesicht klatschten. Sein Herz schlug ihm noch immer bis zum Hals, als er den Schilfgürtel des Sees erreichte. Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und blickte zurück auf die Schlossmauer, die sich drohend in den blauschwarzen Nachthimmel erhob.
Hatte er die gespenstische Atmosphäre des alten Gemäuers bisher genossen und die Umgebung lediglich als perfekte Fotokulisse gesehen, so breitete sich in ihm mit einem Mal ein Gefühl regelrechter Angst aus.
Spätestens nach Vanessas Vortrag hatte er gewusst, dass dieses Schloss viele düstere Geheimnisse hütete. Die meisten von ihnen waren bekannt, waren schon oft von der Presse aufgegriffen und bis ins kleinste Detail ausgeschlachtet worden. Vielleicht hatte sich im Laufe der Jahre auch die eine oder andere Übertreibung oder Ausschmückung der Ereignisse in die Berichterstattungen eingeschlichen.
Doch damit konnte er umgehen.
Aber nun hatte er diesem Ort des Schreckens völlig unfreiwillig ein weiteres Geheimnis entlockt. Ein Geheimnis, das vermutlich niemand kannte.
Niemand außer ihm.
Seine Gedanken kehrten zurück zu Vanessa, die gefesselt und geknebelt in einem der Schlosszimmer lag, nachdem er sie in diesem Zustand dort zurückgelassen hatte. Es war nur ein Spiel gewesen, aus dem nun blutiger Ernst zu werden drohte.
Er musste sie so schnell wie möglich befreien und mit ihr von hier verschwinden. Vergessen war seine Vorfreude auf ein romantisches Schäferstündchen in einem historischen Himmelbett.
Die Eingangstür des Schlosses befand sich genau auf der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes.
Noch einmal atmete er tief durch.
Dann rannte er los.
KAPITEL 47
Völlig außer Atem ließ Jonas seinen Blick durch die Eingangshalle wandern.
Es war totenstill.
Und mit einem Mal fühlte er die unbeschreibliche Kälte. Es lag nicht an der Temperatur. Die Luft war noch immer angenehm warm. Vielmehr schien sich die Kälte von innen heraus auszubreiten und sich ihren Weg an die Oberfläche seines Körpers zu bahnen. Eine seltsame Bedrohung lag wie eine elektrische Ladung knisternd in der Atmosphäre, nur darauf wartend, endlich mit aller Gewalt über ihn hereinbrechen zu können.
Plötzlich zerriss ein Geräusch die Stille, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um das Zuschlagen einer Tür handelte. Gespenstisch hallte das Echo von den kahlen Wänden wider.
Und plötzlich war es da. Das unverkennbare Geräusch schwerer, schneller Schritte.
Sie mussten von oben kommen.
Sein Blick glitt hinauf auf die Galerie.
Vanessa!
Sein Puls beschleunigte sich und er rannte auf die Treppe zu, auf der Vanessa der Linse seiner Kamera noch vor kurzem ihren atemberaubenden Körper präsentiert hatte.
Am liebsten hätte er ihren Namen geschrien, während er die Treppenstufen hinaufeilte. Aber er traute sich nicht. Auf gar keinen Fall wollte er unnötige Aufmerksamkeit erregen. Fürchterliche Bilder rasten durch seinen Kopf. Schreckliche Fantasien, was mit Vanessa geschehen sein konnte, während er nichts besseres zu tun gehabt hatte, als sich um ein paar beschissene Gummis zu kümmern. Oh Mann, er hatte sich wie ein pubertierender Teenager benommen. Besessen von dem Gedanken an eine schnelle Nummer.
Du bist so ein Vollidiot , schimpfte er. Du hättest sie niemals alleine zurücklassen dürfen.
Er erreichte die oberste Treppenstufe und hetzte dem Gang entgegen, von dem unter anderem das Schlafzimmer abzweigte. Gerade als er in
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