DAS SCHLOSS
Gesicht und versuchte, die Augen von dem herabströmenden Blut zu befreien. Stattdessen rieb er es jedoch immer tiefer hinein, so dass er blind und vor Schmerzen rasend durch den Keller stolperte.
Sandy taumelte rückwärts. Wenn es ihr nicht sofort gelang, die verfluchte Drahtschlinge zu lösen, würde sie jämmerlich ersticken. Wo war bloß dieses andere Mädchen? Warum kam sie ihr nicht zu Hilfe? Sandy konnte sie nirgends entdecken. Ihr Körper schrie nach Sauerstoff, ihre Lungen brannten und vermutlich würde es nur noch wenige Sekunden dauern, bis sie das Bewusstsein verlor.
Und plötzlich stand sie vor ihr.
Aber konnte das sein? Nein, sie musste sich täuschen. Das was sie sah, war absolut unmöglich.
Das Mädchen, das vor ihr stand, war nicht Vanessa.
„Lena?“ Sie presste die Worte mit der letzten Luft hervor, die ihre Lungen hergaben. „Bist zu es wirklich? Wie kommst du hierher?“
„Hallo Sandy. Ich bin hier, um dich abzuholen. Hör auf zu kämpfen, es nützt ja doch nichts. Du machst es dir nur unnötig schwer.“
Sandy starrte sie ungläubig an.
Lena trug das gleiche geblümte Sommerkleid, wie damals im Urlaub. Und in ihrem Bauch klaffte das gleiche riesige Loch. Blutrote Darmschlingen hingen heraus, verknotet zu einem Wirrwarr, das Sandy an Spaghetti mit Tomatensoße denken ließ. Aus zahllosen Schnittwunden im Gesicht, an Armen und Beinen troff frisches Blut, das schnell einen kleinen See zu ihren Füßen bildete.
Lena streckte ihr ihre Hand aus.
„Komm schon, Sandy. Es ist vorbei. Gleich hast du es überstanden.“
„Nein, ich kann nicht. Ich…“
„Ich habe so lange auf dich gewartet. Nun komm schon.“
Sandy spürte Lenas Hand, die nach der ihren griff. Zu ihrer Überraschung war sie nicht kalt, sondern angenehm warm.
„Es ist schön hier drüben. Alles wird gut werden.“
„Was ist mit Ronnie? Er braucht mich doch.“
„Komm mit. Du wirst schon sehen, alles wir gut werden“, wiederholte sie.
Noch einmal blickte Sandy sich suchend um. Jonas zweiter Schlag mit dem Stahlrohr traf Kid in den Magen und Sandy konnte das Brechen seiner Rippen hören.
Kid gab ein lautes Grunzen von sich.
Dann brach er wortlos zusammen.
„Komm. Wir müssen gehen.“ Lenas Stimme klang sanft und weich in Sandys Ohren. „Es ist an der Zeit.“
„Es tut so weh“, schluchzte Sandy und griff ein letztes Mal nach der Schlinge an ihrem Hals.
„Es wird aufhören, sobald du dich entschieden hast. Vertrau mir, bei mir war es nicht anders. Damals in Ägypten.“
Und mit einem Mal spürte Sandy, dass ihre Freundin recht hatte.
KAPITEL 54
Jonas blickte hinab auf den bewusstlosen Kid und warf die blutige Eisenstange in eine Ecke des Kellers, in der sie mit lautem Klirren aufschlug.
Sein Blick fiel auf Sandy.
Sie saß auf dem Boden, ihren Oberkörper gegen die Wand gelehnt. Die blutunterlaufenen Augen in ihrem bläulich verfärbten Gesicht waren weit aufgerissen und starrten voller Entsetzen ins Leere. Offenbar mit allerletzter Kraft hatte sie es geschafft, die Finger ihrer gefesselten Hände unter die Drahtschlinge zu schieben, die sich tief in das Fleisch ihres Halses gegraben hatte, wo sie in einer blutigen Furche verschwand.
Du hast uns das Leben gerettet, dachte er und wandte sich traurig ab.
Ronnie lag ebenfalls mit weit aufgerissenen Augen auf dem Kellerboden. Aus seiner Bauchwunde trat kein weiteres Blut aus und die Oberfläche der Blutlache unter seinem Körper schien bereits zu gerinnen. Leider bestand nicht der geringste Zweifel, dass auch für ihn jede Hilfe zu spät kam.
„Sie sind beide tot. Gütiger Gott, sie sind wirklich beide tot. Lass uns von hier verschwinden und die Polizei holen.“ Er drehte sich zu Vanessa um, die noch immer auf dem Sofa saß und die Szene schweigend beobachtete.
Sein Herz blieb beinahe stehen, als er das Blut sah.
„Vanessa! Was ist passiert?“ Er stürzte auf das Sofa zu. Eine zügig anwachsende Blutlache breitete sich unter ihren Füßen aus. Er berührte ihr Gesicht mit beiden Händen. Es war leichenblass und ihre Lippen bebten, als sie zu ihm aufsah und mit zitternder Stimme sprach.
„Er hat mich getroffen. Als sich der Schuss gelöst hat. Bevor er die Waffe verloren hat. Hier.“
Sie löste ihre Hände von ihrem rechten Bein und Jonas starrte auf das blutende, kreisrunde Loch, knapp oberhalb ihrer Kniescheibe.
„Du musst sofort zu einem Arzt.“
„Mir ist ganz kalt und schwindelig. Jonas, fühlt es sich so an,
Weitere Kostenlose Bücher