DAS SCHLOSS
Zweigen, entdeckte er die Überreste einer Mauer.
Wenigstens schien es sich auf den ersten Blick um eine Mauer zu handeln.
Bei genauerem Hinsehen hingegen, entpuppte sich die seltsame Ansammlung von Steinen als etwas völlig anderes. Und wenn er mit seiner Vermutung richtig lag, handelte es sich bei seinem Fund um die Überreste eines alten Brunnens.
Wie spannend.
Als Jugendlicher hatte er einmal eine Geschichte gelesen, in der ebenfalls ein solcher Brunnen vorgekommen war. Zwar konnte er sich nicht mehr an den Titel erinnern, wusste aber noch grob, wovon sie gehandelt hatte. Ein Meteorit war auf die Erde gestürzt und hatte besagten Brunnen vergiftet. Als Folge der Vergiftung starben nicht nur die Tiere des Bauern, auf dessen Land der Brunnen gestanden hatte, sondern auch seine Familie. Und wenn er sich recht erinnerte, hatte der arme Kerl sich am Ende selbst umgebracht.
Adam liebte derartige Horrorgeschichten. Egal, was andere Menschen davon hielten, für ihn waren sie einfach das Größte.
Er stöberte zwischen den Stämmen und Zweigen herum und schob mit seinen Füßen Erde und Laub beiseite.
Und tatsächlich wurde er fündig. Was für ein großartiger Tag!
„Adam, wo bleibst du denn schon wieder? Hast du mal auf die Uhr gesehen? Wir müssen los. Du weißt, dass wir noch ein ziemliches Stück zu fahren haben.“
„Halt endlich deine verdammte Klappe und lass mich in Ruhe. Das alles mach ich doch sowieso nur für dich. Du bist doch diejenige, die mir ständig in den Ohren liegt, dass es ihr in der alten Hütte nicht gefällt, oder? Himmel, ich hatte noch nie eine, die so anstrengend war, wie du.“
Okay, ich bin auch der Meinung, dass wir dringend eine neue Bleibe brauchen, aber das muss ich ihr ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
Also ließ Adam sich vom Drängeln der Stimme aus dem Off nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen bückte er sich und wuchtete die schwere Eisenplatte in die Höhe, die er Stück für Stück mit den Füßen freigelegt hatte.
Darunter offenbarte sich ihm ein tiefes, schwarzes Loch.
Adam ballte die Fäuste. Am liebsten wäre er wie Rumpelstilzchen im Kreis gehüpft, um seine Entdeckung zu feiern.
Heute back ich, morgen brau ich, und übermorgen hol ich der Königin ihr Kind!
Er liebte Märchen.
Beinahe ebenso sehr, wie Horrorgeschichten.
Es ist einfach alles so perfekt.
„Komm her, das musst du dir ansehen!“
Sie kam nicht.
Natürlich nicht.
Wieder löste er die Taschenlampe von seinem Gürtel und stellte sich an den Rand des Loches.
Wie tief es wohl ist?
Doch in dem Augenblick, in dem er die Lampe einschalten und hineinleuchten wollte, traf ihn etwas im Nacken. Vor Schreck zuckte er zusammen und ließ die Lampe fallen.
„So eine verfluchte Scheiße!“
Er starrte hinunter in die Dunkelheit.
Es bestand kein Zweifel. Die Lampe war weg. Er würde wohl oder übel eine neue besorgen müssen.
Wieder traf ihn etwas.
Er sah nach oben. Auf den knorrigen Zweigen der alten Kiefer, etwa acht Meter über ihm, hockte ein Eichhörnchen. Und in unregelmäßigen Abständen rieselten die Reste eines großen Zapfens auf Adam herab, an dem das Tier in aller Seelenruhe herumknabberte.
„Du elendes Scheißvieh! Du hast meine Lampe auf dem Gewissen.“ Er hob einen Stein vom Boden auf und warf in Richtung des Tieres.
Mit wenigen Sätzen war es in die Krone eines der benachbarten Bäume verschwunden.
Der Stein, den Adam geworfen hatte, fiel wieder herunter. Zuerst wollte er ihm ausweichen, doch er fiel ganz von alleine an ihm vorbei und verschwand in dem geheimnisvollen Loch im Boden.
Das Geräusch, mit dem der Stein irgendwo in der Tiefe aufschlug, brachte Adam auf eine Idee.
Er suchte einen weiteren Kiesel und ließ ihn in die Grube hinabfallen. Dann zählte er die Sekunden bis zum Aufschlag des Steins. Zwar hatte er nicht die geringste Ahnung, wie er die Sekunden – sofern er denn überhaupt mit richtigen Zeitabständen gezählt hatte – in eine nähere Erkenntnis bezüglich der Tiefe des Loches umsetzen sollte. Aber an einer präzisen Tiefenmessung war er auch gar nicht interessiert. Ihm genügte das gute Gefühl, dass das Loch tief genug war.
„Tief genug? Wofür denn?“
Er zuckte zusammen, als er ihre Stimme in seinem Rücken hörte. Für einen kurzen Augenblick hatte er sie tatsächlich vergessen.
„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht immer so verdammt neugierig sein sollst? Du wirst es schon noch erfahren, wenn es so weit ist.“ Während er
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