Das Schloss von Otranto
erwiederte Diego, als Jago und ich in die Gallerie kamen, ging er voran, denn, sagt' er, er habe mehr Herz als ich. Da wir also in die Gallerie kamen, fanden wir niemand. Wir guckten unter alle Stühle und Bänke, und fanden doch niemand. – Waren die Gemälde alle auf ihrer Stelle? fragte Manfred. Ja, gnädiger Herr, antwortete Diego, aber es fiel uns nicht ein, dahinter zu schauen. – Gut, gut, sagte Manfred, weiter! Als wir an die Thür des großen Zimmers kamen, fuhr Diego fort, fanden wir sie zugemacht – Konntet ihr sie nicht öfnen? sagte Manfred. O ja, gnädiger Herr! wolte Gott wir hättens nicht gethan! versetzte er: aber ich öfnete sie nicht. Diego thats, der Narr war übermüthig geworden, er wollte alles wagen, so sehr ich ihm abrieth; wenn ich jemals wieder eine Thür öfne, die zu steht – Halt dich nicht auf, sprach Manfred schaudernd, und sprich, was saht ihr in der großen Kammer, als die Thür geöfnet war! Ich, gnädiger Herr? sagte Diego, ich sah nichts, ich stand hinter Jago, aber das Getöse hört' ich – Diego, sagte Manfred mit feyerlicher Stimme, ich beschwöre dich bey den Seelen meiner Vorfahren, sprich, was sahst du? was hörtest du? Ich sah nichts, gnädiger Herr, versetzte Diego, Jago sah, ich hörte nur das Getöse. Kaum hatte Jago die Thür eröfnet, so schrie er, und lief zurück. Ich lief auch zurück, und fragte, ist es der Geist? Nein, nein, kein Geist, antwortete Jago, das Haar stand ihm zu Berge, es ist ein Riese glaub' ich; er ist über und über geharnischt; ich sah nichts als seinen Fuß und ein Stück vom Bein, die sind so groß als der Helm unten im Hofe. Wie wir diese Worte sprachen, gnädiger Herr, hörten wir sichs heftig bewegen und Waffen rasseln, als ob der Riese aufstände. Denn Jago hat mir nachher gesagt, er glaube der Riese habe gelegen, Fuß und Beine waren am Fußboden ausgestreckt. Ehe wir das Ende des Ganges erreichten, hörten wir die Thür des großen Zimmers zuschlagen. Wir hatten das Herz nicht umzusehn, ob der Riese uns folge; aber jetzt fällt mir ein, wir müsten ihn ja gehört haben, wenn er uns nachgesetzt wäre. Aber ums Himmels willen, gnädiger Herr, schicken sie zum Caplan, und lassen sie ihn die Teufel aus der Burg treiben, sie ist sicherlich behext. Ach, thun sie das ja, gnädigen Herr! riefen alle Bedienten zugleich, wir können sonst nicht in Ihrer Hoheit Diensten bleiben! – Schweigt, einfältiges Volk, sprach Manfred, und folgt mir, ich will erfahren, was alles dies bedeutet. Wir, gnädiger Herr? riefen alle einstimmig, wir wollen nicht in die Gallerie gehn, um Ihrer Hoheit Güter nicht! Jetzt fragte der junge Bauer, der bisher geschwiegen hatte: Wollen Ihre Hoheit mir erlauben, dies Abentheuer zu bestehn? An meinem Leben ist niemand gelegen, böse Geister fürcht' ich nicht, und gute hab' ich nicht beleidigt. Dein Betragen ist besser als dein Ansehn, sagte Manfred, und betrachtete ihn mit Bewunderung und Beifall. Dein Muth soll zu seiner Zeit belohnt werden: jetzt aber, fuhr er mit einem Seufzer fort, bin ich in der Lage, keines Augen trauen zu dürfen als meinen eignen. Aber ich erlaube dir, mir zu folgen.
Als Manfred zuerst die Gallerie verließ, Isabellen nachzueilen, ging er grade in das Gemach seiner Gemahlin, wohin er glaubte, daß sich die Prinzessin zurückgezogen habe. Hippolite, die seinen Tritt kannte, erhob sich mit ängstlicher Sorgfalt, ihrem Gemahl zu begegnen, den sie seit dem Tode ihres Sohnes nicht gesehen hatte. Sie hätte sich, in einem Ausbruch der Freude und des Schmerzes, ihm an den Busen geworfen, aber hart stieß er sie von sich, und fragte: wo ist Isabelle? Isabelle, mein Fürst? rief die erstaunte Hippolite. Ja, Isabelle! sprach Manfred gebieterisch, Isabellen such ich. Gnädigster Herr, versetzte Matilde, die ihre Mutter durch diese Begegnung gekränkt sah, sie war nicht bey uns, seit Ihre Hoheit sie zu sich rufen ließen. Ich will wissen wo sie ist, sagte Manfred, nicht wo sie war. Mein theurer Manfred, erwiederte Hippolite, Ihre Tochter weiß nicht mehr zu sagen. Isabelle verließ uns auf Ihren Befehl, und ist nicht zurückgekehrt. Fassen Sie sich, mein edler Gemahl, begeben Sie sich zur Ruhe. Dieser unglückliche Tag hat Sie verstört. Isabelle soll morgen früh Ihre Befehle vernehmen. Sie wissen also wo sie ist? rief Manfred. Gestehn sie mirs! Ich will keinen Augenblick verlieren; und schicken sie mir auf der Stelle ihren Capellan. Isabelle, antwortete Hippolite ruhig, hat sich wie ich glaube in ihr
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