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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horace Walpole
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hatte, zu erfahren, wo Isabelle hingekommen sey. Bianca erschien bald, und berichtete ihrer Gebieterin, sie habe von den Bedienten vernommen, Isabelle sey nirgends zu finden. Sie erzählte das Abentheuer des jungen Bauren, den man im Kreuzgange entdeckt hatte, obgleich mit manchem einfältigen Zusatz, aus den unzusammenhängenden Berichten der Hausleute; und vornemlich hielt sie sich bey dem Riesenbein und Fuß auf, die man im Galleriezimmer gesehen hatte. Dieser letzte Umstand hatte Bianca so erschreckt, daß sie froh war, als Matilde ihr erklärte, sie wolle nicht schlafen gehen, sondern wachen bis die Fürstin aufstände.
    Die junge Prinzessin quälte sich mit Vermuthungen über Isabellens Flucht, und Manfreds Drohungen gegen ihre Mutter. Was konnt' er so nothwendig mit dem Capellan zu schaffen haben? Will er meines Bruders Leichnam in der Stille beysetzen lassen? O gnädiges Fräulein, ich errathe es, sagte Bianca. Sie sind seine Erbin geworden, jetzt kann er die Zeit nicht erwarten, Sie verheirathet zu wissen. Ihn hat immer nach mehr Söhnen gelüstet, jetzt gelüstet ihn nach Enkeln. So wahr ich lebe, gnädiges Fräulein, endlich seh' ich Sie als Braut. Liebes gnädiges Fräulein, Sie werden doch Ihre getreue Bianca nicht verstoßen? Sie werden Donna Rosaura nicht über mich setzen, nun Sie eine große Fürstin sind? Arme Bianca, sagte Matilde, wie fliegen deine Gedanken! Ich, eine große Fürstin? Hat Manfreds Betragen, seit meines Bruders Tod, dir bewiesen, daß seine Zärtlichkeit gegen mich vermehrt sey? Nein, Bianca, sein Herz war mir von jeher entfremdet; aber er ist mein Vater, ich darf nicht klagen. Wenn der Himmel meines Vaters Herz gegen mich verschließt, so bezahlt er mein kleines Verdienst tausendfach, durch die Zärtlichkeit meiner Mutter. Meine theure Mutter! Ihrentwegen, Bianca, fühl' ich Manfreds rauhe Gemüthsart. Seine Strenge gegen mich kann ich geduldig ertragen, aber es verwundet meine Seele, wenn ich Zeuge bin, wie ohne Ursach hart er gegen sie ist. O gnädiges Fräulein, sagte Bianca, alle Männer sind so gegen ihre Frauen, wenn sie ihrer satt sind! Und doch wünschtest du mir Glück, erwiederte Matilde, weil du dir einbildetest, mein Vater werde mich vermählen? Sie müssen eine große Frau werden, versetzte Bianca, es mag kommen wie es will. Ich wünsche nicht, daß Sie in einem Kloster versauren, wie Sie werden, wenn man Ihnen Ihren Willen läßt, und Ihre gnädige Frau Mutter nicht dazu thut, die wohl weiß, daß ein schlechter Mann besser ist, als kein Mann. – Gott sey bey uns! was rührt sich da? Heiliger Niklas vergieb mir! Ich scherzte nur. Es ist der Wind, sprach Matilde, der durch die Zinnen des Thurmes seufzt. Du hast das tausendmal gehört. Ich habe ja auch nichts böses gesagt, erwiederte Bianca, es ist keine Sünde von Heirathen zu sprechen. Also gnädiges Fräulein, wie ich sagte, wenn ihr fürstlicher Vater Ihnen einen hübschen jungen Prinzen als Bräutigam vorstellt, werden Sie sich höflich verneigen, und sprechen, ich bitte lieber um den Schleyer? Dem Himmel sey Dank! in der Gefahr bin ich nicht, antwortete Matilde. Du weist, wie viel Bewerbungen um mich er ausgeschlagen hat. – Und dafür danken Sie ihm als eine gehorsame Tochter? danken Sie ihm, gnädiges Fräulein? Nehmen Sie nur einmal an, er schickte morgen nach Ihnen, im großen Audienzzimmer, und ihm zur Seite stände ein liebenswürdiger junger Prinz, mit großen schwarzen Augen, einer glatten weißen Stirn, und krausen männlichen Locken, wie Wasserstrahlen; kurz gnädiges Fräulein, ein junger Held, der so aussähe wie das Bild Alfonso des Guten in der Gallerie, vor dem Sie Stunden lang sitzen und es anstaunen. – Sprich nicht leichtsinnig von dem Bilde, unterbrach sie seufzend Matilde. Ich weiß, die Anbetung, mit der ich dies Gemälde betrachte, ist ungewöhnlich, aber in die bemalte Leinwand bin ich nicht verliebt. Die Tugenden dieses erhabenen Fürsten; die Ehrfurcht welche meine Mutter mir für sein Gedächtniß eingeflößt hat; dies Gebet, das sie mir, ich weiß nicht warum, befahl, an seinem Grabe abzulegen, alles trifft zusammen, mich zu bereden, daß mein Schicksal auf irgend eine Weise mit etwas, das ihm angehört, verbunden sey. Herr Gott! gnädiges Fräulein, wie könnte das zugehen? fragte Bianca. Ich habe immer gehört, Ihr Geschlecht sey dem seinigen nicht verwand; und, wahrhaftig, ich kann nicht begreifen, warum Ihre Hoheit die Fürstin, Ihre Gnaden an kalten Morgen oder feuchten

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