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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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jeher so gewesen war, wußte er nicht. Nicht einmal wieder einzuschlafen würde ihm hier gelingen. Diese Überzeugung war sogar das Entscheidende, darüber ein wenig lächelnd erhob er sich, stützte sich, wo er nur eine Stütze fand, am Bett, an der Wand, an der Tür und ging, als hätte er sich längst von Bürgel verabschiedet, ohne Gruß hinaus.

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    Wahrscheinlich wäre er ebenso gleichgültig an Erlangers Zimmer vorübergegangen, wenn Erlanger nicht in der offenen Türe gestanden wäre und ihm gewinkt hätte. Ein kurzer einmaliger Wink mit dem Zeigefinger. Erlanger war zum Weggehn schon völlig bereit, er trug einen schwarzen Pelzmantel mit knappem hochgeknöpften Kragen. Ein Diener reichte ihm gerade die Handschuhe und hielt noch eine Pelzmütze. »Sie hätten schon längst kommen sollen«, sagte Erlanger. K. wollte sich entschuldigen, Erlanger zeigte durch ein müdes Schließen der Augen, daß er darauf verzichte. »Es handelt sich um Folgendes«, sagte er, »im Ausschank war früher eine gewisse Frieda bedienstet, ich kenne nur ihren Namen, sie selbst kenne ich nicht, sie bekümmert mich nicht. Diese Frieda hat manchmal Klamm das Bier serviert. Jetzt scheint dort ein anderes Mädchen zu sein. Nun ist diese Veränderung natürlich belanglos, wahrscheinlich für jeden und für Klamm ganz gewiß. Je größer aber eine Arbeit ist und Klamms Arbeit ist freilich die größte, desto weniger Kraft bleibt, sich gegen die Außenwelt zu wehren, infolgedessen kann dann jede belanglose Veränderung der belanglosesten Dinge ernstlich stören. Die kleinste Veränderung auf dem Schreibtisch, die Beseitigung eines dort seit jeher vorhanden gewesenen Schmutzflecks, das alles kann stören und ebenso ein neues Serviermädchen. Nun stört freilich das alles, selbst wenn es jeden andern und bei jeder beliebigen Arbeit stören würde, Klamm nicht, davon kann gar keine Rede sein. Trotzdem sind wir verpflichtet über Klamms Behagen derart zu wachen, daß wir selbst Störungen, die für ihn keine sind – und wahrscheinlich gibt es für ihn überhaupt keine – beseitigen, wenn sie uns als mögliche Störungen auffallen. Nicht seinetwegen, nicht seiner Arbeit wegen beseitigen wir diese Störungen, sondern unseretwegen, unseres Gewissens und unserer Ruhe wegen. Deshalb muß jene Frieda sofort wieder in den Ausschank zurückkehren, vielleicht wird sie gerade dadurch, daß sie zurückkehrt, stören, nun dann werden wir sie wieder wegschicken, vorläufig aber muß sie zurückkehren. Sie leben mit ihr, wie man mir gesagt hat, veranlassen Sie daher sofort ihre Rückkehr. Auf persönliche Gefühle kann dabei keine Rücksicht genommen werden, das ist ja selbstverständlich, daher lasse ich mich auch nicht in die geringste weitere Erörterung der Sache ein. Ich tue schon viel mehr als nötig ist, wenn ich erwähne, daß, wenn Sie sich in dieser Kleinigkeit bewähren, Ihnen dies in Ihrem Fortkommen gelegentlich nützlich sein kann. Das ist alles was ich Ihnen zu sagen habe.« Er nickte K. zum Abschied zu, setzte sich die vom Diener gereichte Pelzmütze auf und ging vom Diener gefolgt schnell aber ein wenig hinkend den Gang hinab.
    Manchmal wurden hier Befehle gegeben, die sehr leicht zu erfüllen waren, aber diese Leichtigkeit freute K. nicht. Nicht nur weil der Befehl Frieda betraf und zwar als Befehl gemeint war, aber K. wie ein Verlachen klang, sondern vor allem deshalb weil aus ihm für K. die Nutzlosigkeit aller seiner Bestrebungen entgegensah. Über ihn hinweg gingen die Befehle, die ungünstigen und die günstigen, und auch die günstigen hatten wohl einen letzten ungünstigen Kern, jedenfalls aber gingen alle über ihn hinweg und er war viel zu tief gestellt, um in sie einzugreifen oder gar sie verstummen zu machen und für seine Stimme Gehör zu bekommen. Wenn Dir Erlanger abwinkt, was willst Du tun, und wenn er nicht abwinken würde, was könntest Du ihm sagen? Zwar blieb sich K. dessen bewußt, daß seine Müdigkeit ihm heute mehr geschadet hatte, als alle Ungunst der Verhältnisse, aber warum konnte er, der geglaubt hatte sich auf seinen Körper verlassen zu können und der ohne diese Überzeugung sich gar nicht auf den Weg gemacht hätte, warum konnte er einige schlechte und eine schlaflose Nacht nicht ertragen, warum wurde er gerade hier so unbeherrschbar müde, wo niemand müde war oder wo vielmehr jeder und immerfort müde war, ohne daß dies aber die Arbeit schädigte, ja es schien sie vielmehr zu fördern. Daraus war zu

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