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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Die Prämisse des Weißen Propheten scheint einfach. Er wollte die Welt auf einen anderen Weg lenken als den, dem sie über mehrere Zeitzyklen hinweg gefolgt war. Laut dem Weißen Propheten wiederholt sich die Zeit, und bei jeder Wiederholung begehen die Menschen immer wieder die gleichen dummen Fehler. Sie leben von Tag zu Tag, gehen ihren Bedürfnissen und Wünschen nach und sind davon überzeugt, dass ihr Tun den Lauf der Dinge beeinflusst.
    Laut dem Weißen Propheten ist nichts weiter von der Wahrheit entfernt als dieser Glaube. Jede kleine, selbstlose Tat bringt die Welt auf einem besseren Weg näher, und eine Ansammlung solcher Taten vermag die Welt gar zu ändern. Das Schicksal der Welt kann vom Tod oder Leben eines einzigen Mannes abhängen. Und wer war ich für den Weißen Propheten? Ich war sein Katalyst. Ich war der Stein, mit dem er das Rad der Zeit aus der Spur bringen würde. Der Weiße Prophet sagte mir einst, ein kleiner Kiesel könne dieses Rad von seinem Weg abbringen; doch warnend fügte er hinzu, dass diese Erfahrung nur selten angenehm für den Kiesel sei.
    Der Weiße Prophet behauptete, dass er nicht nur die Zukunft, sondern viele verschiedene Zukunftswelten gesehen habe, und die meisten von ihnen seien ähnlich trostlos gewesen. Doch in ein paar wenigen Fällen gebe es einen Unterschied, und dieser Unterschied führe zu einem strahlenden Reich voller neuer Möglichkeiten.
    Der erste Unterschied war die Existenz eines Weitsehererben, eines, der überlebte. Das war ich. Mich zum Überleben zu zwangen, mich immer wieder dem Tod zu entreißen, der ständig versuchte, mich auszuschalten, sodass das Rad der Zeit wieder in seine alte Spur zurückspringen würde, das machte der Weiße Prophet zu seiner Lebensaufgabe. Immer wieder und wieder drohte der Tod mich zu verschlingen, und immer wieder zog der Weiße Prophet mich zerschunden und zerschlagen unter dem erbarmungslosen Mühlrad der Zeit zurück, auf dass ich ihm erneut folgen konnte. Er benutzte mich erbarmungslos, doch nicht ohne Bedauern.
    Und es gelang ihm, das Schicksal von seinem vorbestimmten Pfad abzubringen und auf einen neuen zu lenken, der eine bessere Zukunft verhieß. Das sagte er zumindest. Doch es gab Menschen, die seine Meinung nicht teilten, Menschen, die sich eine Zukunft ohne einen Weitsehererben und ohne Drachen ausmalten. Einer dieser Menschen, eine Frau,fasste den Entschluss, die Zukunft zu sichern, indem sie sich des Narren entledigte, der ihr im Weg stand.

Manchmal erscheint es einem unfair, dass längst vergangene Ereignisse noch über die Jahre hinweg genügend Kraft besitzen, ihre Klauen in das eigene Leben zu schlagen und alles in ihrem Gefolge zu verdrehen. Doch vielleicht ist gerade dies die ultimative Gerechtigkeit: Wir sind die Summe unserer Taten und dessen, was uns angetan worden ist. Niemand von uns vermag dem zu entkommen.
    So floss alles, was der Narr je zu mir gesagt hatte, mit dem zusammen, was er ungesagt gelassen hatte, und die Summe war, dass ich ihn verraten hatte. Doch ich hatte geglaubt, in seinem und meinem besten Interesse zu handeln. Er hatte vorhergesehen, dass er sterben würde, sollte er auf die Insel Aslevjal gehen, und der Tod vielleicht auch wieder nach mir schnappen würde. Er versprach mir, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um mein Überleben zu garantieren, denn das verlangte sein großer Plan, die Zukunft zu verändern. Aber mit meinem letzten Federstrich und dem Tod noch in frischer Erinnerung muss ich sagen, dass ich seine Versprechen eher als bedrohlich denn als beruhigend empfand. Auch hatte er mich unbekümmert davon in Kenntnis gesetzt, dass ich, wenn wir erst einmal auf der Insel waren, zwischen unserer Freundschaft und meiner Treue Prinz Pflichtgetreu gegenüber würde wählen müssen.
    Vielleicht hätte ich mich diesen Dingen stellen und standhaft bleiben können, doch ich bezweifele es. Jede einzelne dieser Prophezeiungen reichte schon aus, um mich verzagen zu lassen, und in der Summe überstiegen sie schlicht meine Kraft.
    So ging ich zu Chade. Ich berichtete ihm, was der Narr gesagt hatte, und mein alter Mentor sorgte dafür, dass der Narr uns nicht begleitete, als wir zu den Äußeren Inseln aufbrachen.

    Der Frühling hatte in die Bocksburg Einzug gehalten. Das grimmige schwarze Steingebäude kauerte noch immer misstrauisch auf den steilen Klippen über Burgstadt; doch auf den sanften Hügeln jenseits der Burg bahnte sich frisches Gras optimistisch einen Weg durch das

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