Das Schloß
zugienge, nicht einmal Zimmermädchen sein; sie weiß es auch und manche Nacht hat sie darüber geweint, sich an Pepi gedrückt und Pepis Haare um den eigenen Kopf gelegt. Aber wenn sie im Dienst ist, sind alle Zweifel verschwunden, sie hält sich für die Allerschönste und jedem weiß sie es auf die richtige Weise einzuflößen. Sie kennt die Leute und das ist ihre eigentliche Kunst. Und lügt schnell und betrügt, damit die Leute nicht Zeit haben, sie genauer anzusehn. Natürlich genügt das nicht für die Dauer, die Leute haben doch Augen und die würden schließlich Recht behalten. Aber in dem Augenblick, wo sie eine solche Gefahr merkt, hat sie schon ein anderes Mittel bereit, in der letzten Zeit z.B. ihr Verhältnis zu Klamm. Ihr Verhältnis mit Klamm! Glaubst Du nicht daran, kannst es ja nachprüfen, geh zu Klamm und frag ihn. Wie schlau, wie schlau. Und wenn Du etwa nicht wagen solltest, wegen einer solchen Anfrage zu Klamm zu gehn und vielleicht mit unendlich wichtigern Anfragen nicht vorgelassen werden solltest und Klamm Dir sogar völlig verschlossen ist – nur Dir und Deinesgleichen, denn Frieda z.B. hüpft zu ihm hinein wann sie will – wenn das so ist, so kannst Du die Sache trotzdem nachprüfen, Du brauchst nur zu warten. Klamm wird doch ein derartig falsches Gerücht nicht lange dulden können, er ist doch gewiß wild dahinter her, was man von ihm im Ausschank und in den Gastzimmern erzählt, das alles hat für ihn die größte Wichtigkeit und ist es falsch, wird er es gleich richtigstellen. Aber er stellt es nicht richtig, nun dann ist nichts richtigzustellen und es ist die lautere Wahrheit. Was man sieht, ist zwar nur, daß Frieda das Bier in Klamms Zimmer trägt und mit der Bezahlung wieder herauskommt, aber das was man nicht sieht, erzählt Frieda und man muß es ihr glauben. Und sie erzählt es gar nicht, sie wird doch nicht solche Geheimnisse ausplaudern, nein, um sie herum plaudern sich die Geheimnisse von selbst aus und da sie nun einmal ausgeplaudert sind, scheut sie sich allerdings nicht mehr auch selbst von ihnen zu reden, aber bescheiden, ohne irgendetwas zu behaupten, sie beruft sich nur auf das ohnehin allgemein Bekannte. Nicht auf alles, davon z.B. daß Klamm, seit sie im Ausschank ist, weniger Bier trinkt als früher, nicht viel weniger, aber doch deutlich weniger, davon spricht sie nicht, es kann ja auch verschiedene Gründe haben, es ist eben eine Zeit gekommen, in der das Bier Klamm weniger schmeckt oder er vergißt gar über Frieda das Biertrinken. Jedenfalls also ist, wie erstaunlich das auch sein mag, Frieda Klamms Geliebte. Was aber Klamm genügt, wie sollten das nicht auch die andern bewundern und so ist Frieda, ehe man sich dessen versieht, eine große Schönheit geworden, ein Mädchen genau so beschaffen, wie es der Ausschank braucht, ja fast zu schön, zu mächtig, schon genügt ihr der Ausschank kaum. Und tatsächlich, es erscheint den Leuten merkwürdig, daß sie noch immer im Ausschank ist; ein Ausschankmädchen zu sein, ist viel; von da aus erscheint die Verbindung mit Klamm sehr glaubwürdig; wenn aber einmal das Ausschankmädchen Klamms Geliebte ist, warum läßt er sie und gar so lange im Ausschank? Warum führt er sie nicht höher? Man kann tausendmal den Leuten sagen, daß hier kein Widerspruch besteht, daß Klamm bestimmte Gründe hat so zu handeln, oder daß plötzlich einmal, vielleicht schon in allernächster Zeit Friedas Erhöhung kommen wird, das alles macht nicht viel Wirkung, die Leute haben bestimmte Vorstellungen und lassen sich durch alle Kunst auf die Dauer von ihnen nicht ablenken. Es hat ja niemand mehr daran gezweifelt, daß Frieda Klamms Geliebte ist, selbst die, welche es offenbar besser wußten, waren schon zu müde um zu zweifeln, »Sei in Teufels Namen Klamms Geliebte«, dachten sie, »aber wenn Du es schon bist, dann wollen wir es auch an Deinem Aufstieg merken.« Aber man merkte nichts und Frieda blieb im Ausschank wie bisher und war im Geheimen noch sehr froh, daß es so blieb. Aber bei den Leuten verlor sie an Ansehn, das konnte ihr natürlich nicht unbemerkt bleiben, sie merkt ja gewöhnlich Dinge, noch ehe sie vorhanden sind. Ein wirklich schönes liebenswürdiges Mädchen muß, wenn es sich einmal im Ausschank eingelebt hat, keine Künste aufwenden; solange es schön ist wird es, wenn nicht ein besonderer unglücklicher Zufall eintritt, Ausschankmädchen sein. Ein Mädchen wie Frieda aber muß immerfort um ihre Stelle besorgt sein,
Weitere Kostenlose Bücher