Das Schloß
angeblich auch Frieda gekommen und war einen Augenblick lang bei K. gestanden, doch war sie kaum K.’s wegen gekommen, sondern weil sie verschiedenes hier vorzubereiten hatte, denn am Abend sollte sie ja wieder ihren alten Dienst antreten. »Sie mag Dich wohl nicht mehr?« fragte Pepi, während sie Kaffee und Kuchen brachte. Aber sie fragte es nicht mehr boshaft nach ihrer früheren Art, sondern traurig, als habe sie inzwischen die Bosheit der Welt kennen gelernt, gegenüber der alle eigene Bosheit versagt und sinnlos wird; wie zu einem Leidensgenossen sprach sie zu K. und als er den Kaffee kostete und sie zu sehen glaubte, daß er ihn nicht genug süß finde, lief sie und brachte ihm die volle Zuckerdose. Ihre Traurigkeit hatte sie freilich nicht gehindert, sich heute vielleicht noch mehr zu schmücken als das letzte Mal; an Maschen und an Bändern, die durch das Haar geflochten waren, hatte sie eine Fülle, die Stirn entlang und an den Schläfen waren die Haare sorgfältig gebrannt und um den Hals hatte sie ein Kettchen, das in den tiefen Ausschnitt der Bluse hinabhing. Als K. in der Zufriedenheit, endlich einmal ausgeschlafen zu sein und einen guten Kaffee trinken zu dürfen, heimlich nach einer Masche langte und sie zu öffnen versuchte, sagte Pepi müde: »Laß mich doch« und setzte sich neben ihm auf ein Faß. Und K. mußte sie gar nicht nach ihrem Leid fragen, sie begann selbst gleich zu erzählen, den Blick starr in K.’s Kaffeetopf gerichtet, als brauche sie eine Ablenkung, selbst während sie erzähle, als könne sie, selbst wenn sie sich mit ihrem Leid beschäftige, sich ihm nicht ganz hingeben, denn das ginge über ihre Kräfte. Zunächst erfuhr K., daß eigentlich er an Pepis Unglück schuld sei, daß sie es ihm aber nicht nachtrage. Und sie nickte eifrig während der Erzählung, um keinen Widerspruch K.’s aufkommen zu lassen. Zuerst habe er Frieda aus dem Ausschank fortgenommen und dadurch Pepis Aufstieg ermöglicht. Es ist sonst nichts anderes ausdenkbar, was Frieda hätte bewegen können, ihren Posten aufzugeben, sie saß dort im Ausschank wie die Spinne im Netz, hatte überall ihre Fäden, die nur sie kannte; sie gegen ihren Willen auszuheben, wäre ganz unmöglich gewesen, nur Liebe zu einem Niedrigen, also etwas was sich mit ihrer Stellung nicht vertrug, konnte sie von ihrem Platze treiben. Und Pepi? Hatte sie denn jemals daran gedacht die Stelle für sich zu gewinnen? Sie war Zimmermädchen, hatte eine unbedeutende, wenig aussichtsreiche Stelle, Träume von großer Zukunft hatte sie wie jedes Mädchen, Träume kann man sich nicht verbieten, aber ernstlich dachte sie nicht an ein Weiterkommen, sie hatte sich mit dem Erreichten abgefunden. Und nun verschwand Frieda plötzlich aus dem Ausschank, es war so plötzlich gekommen, daß der Wirt nicht gleich einen passenden Ersatz zur Hand hatte, er suchte und sein Blick fiel auf Pepi, die sich freilich entsprechend vorgedrängt hatte. In jener Zeit liebte sie K. wie sie noch nie jemanden geliebt hatte, sie war monatelang unten in ihrer winzigen dunklen Kammer gesessen und war vorbereitet, dort Jahre und im ungünstigsten Fall ihr ganzes Leben unbeachtet zu verbringen und nun war plötzlich K. erschienen, ein Held, ein Mädchenbefreier und hatte ihr den Weg nach oben freigemacht. Er wußte allerdings nichts von ihr, hatte es nicht ihretwegen getan, aber das verschlug nichts ihrer Dankbarkeit, in der Nacht, die ihrer Anstellung vorherging – die Anstellung war noch unsicher, aber doch schon sehr wahrscheinlich – verbrachte sie Stunden damit, mit ihm zu sprechen, ihm ihren Dank ins Ohr zu flüstern. Und es erhöhte noch seine Tat in ihren Augen, daß es gerade Frieda war, deren Last er auf sich genommen hatte, etwas unbegreiflich Selbstloses lag darin, daß er, um Pepi hervorzuholen, Frieda zu seiner Geliebten machte, Frieda, ein unhübsches, ältliches, mageres Mädchen mit kurzem, schütterem Haar, überdies ein hinterhältiges Mädchen, das immer irgendwelche Geheimnisse hat, was ja wohl mit ihrem Aussehn zusammenhängt; ist am Gesicht und Körper die Jämmerlichkeit zweifellos, muß sie doch wenigstens andere Geheimnisse haben, die niemand nachprüfen kann, etwa ihr angebliches Verhältnis zu Klamm. Und selbst solche Gedanken waren Pepi damals gekommen: ist es möglich, daß K. wirklich Frieda liebt, täuscht er sich nicht oder täuscht er vielleicht gar nur Frieda und wird vielleicht das einzige Ergebnis alles dessen doch nur Pepis Aufstieg
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