Das Schloß
man dort wenigstens nicht wohnen müßte, aber das muß man, denn in den Zwischenzeiten je nach Bestellung Kleinigkeiten aus der Küche zu bringen ist doch Sache der Zimmermädchen, besonders in der Nacht. Immer plötzlich der Faustschlag gegen die Tür der Zimmermädchen, das Diktieren der Bestellung, das Hinunterlaufen in die Küche, das Aufrütteln der schlafenden Küchenjungen, das Hinausstellen der Tasse mit den bestellten Dingen vor die Tür der Zimmermädchen, von wo es die Knechte holen – wie traurig ist das alles. Aber es ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist vielmehr wenn keine Bestellung kommt, wenn es nämlich in tiefer Nacht, wo alles schon schlafen sollte und auch die meisten endlich wirklich schlafen, manchmal vor der Tür der Zimmermädchen herumzuschleichen anfängt. Dann steigen die Mädchen aus ihren Betten – die Betten sind übereinander, es ist ja dort überall sehr wenig Raum, das ganze Zimmer der Mädchen ist eigentlich nichts anderes als ein großer Schrank mit drei Fächern – horchen an der Tür, knien nieder, umarmen sich in Angst. Und immerfort hört man den Schleicher vor der Tür. Alle wären schon glücklich, wenn er endlich hereinkäme, aber es geschieht nichts, niemand kommt herein. Und dabei muß man sich sagen, daß hier nicht unbedingt eine Gefahr drohen muß, vielleicht ist es nur jemand, der vor der Tür auf und ab geht, überlegt ob er eine Bestellung machen soll und sich dann doch nicht dazu entschließen kann. Vielleicht ist es nur das, vielleicht ist aber etwas ganz anderes. Eigentlich kennt man ja die Herren gar nicht, man hat sie ja kaum gesehn. Jedenfalls vergehn die Mädchen drinnen vor Angst und, wenn es draußen endlich still ist, lehnen sie an der Wand und haben nicht genug Kraft wieder in ihre Betten zu steigen. Dieses Leben wartet wieder auf Pepi, noch heute abend soll sie wieder ihren Platz im Mädchenzimmer beziehn. Und warum? Wegen K. und Frieda. Wieder zurück in dieses Leben dem sie kaum entflohen ist, dem sie zwar mit K.’s Hilfe, aber doch auch mit größter eigener Anstrengung entflohen ist. Denn in jenem Dienst dort vernachlässigen sich die Mädchen, auch die sonst sorgsamsten. Für wen sollen sie sich schmücken? Niemand sieht sie, bestenfalls das Personal in der Küche; welcher das genügt, die mag sich schmücken. Sonst aber immerfort in ihrem Zimmerchen oder in den Zimmern der Herren, welche auch nur in reinen Kleidern zu betreten Leichtsinn und Verschwendung ist. Und immer in dem künstlichen Licht und in der dumpfen Luft – es wird immerfort geheizt – und eigentlich immer müde. Den einen freien Nachmittag in der Woche verbringt man am besten, indem man ihn in irgendeinem Verschlag in der Küche ruhig und angstlos verschläft. Wozu sich also schmücken? Ja, man zieht sich kaum an. Und nun wurde Pepi plötzlich in den Ausschank versetzt, wo, vorausgesetzt daß man sich dort behaupten wollte, gerade das Gegenteil nötig war, wo man immer unter den Augen der Leute war, und darunter sehr verwöhnter und aufmerksamer Herren und wo man daher immer möglichst fein und angenehm aussehn mußte. Nun, das war eine Wendung. Und Pepi darf von sich sagen, daß sie nichts versäumt hat. Wie es sich später gestalten würde, das machte Pepi nicht besorgt. Daß sie die Fähigkeiten hatte, welche für diese Stelle nötig waren, das wußte sie, dessen war sie ganz gewiß, diese Überzeugung hat sie auch noch jetzt und niemand kann sie ihr nehmen, auch heute am Tage ihrer Niederlage nicht. Nur wie sie sich in der allerersten Zeit bewähren würde, das war schwierig, weil sie doch ein armes Zimmermädchen war ohne Kleider und Schmuck und weil die Herren nicht die Geduld haben zu warten, wie man sich entwickelt, sondern gleich ohne Übergang ein Ausschankmädchen haben wollen, wie es sich gebürt, sonst wenden sie sich ab. Man sollte denken, ihre Ansprüche wären nicht gar groß, da doch Frieda sie befriedigen konnte. Das ist aber nicht richtig. Pepi hat oft darüber nachgedacht, ist ja auch öfter mit Frieda zusammengekommen und hat eine Zeitlang sogar mit ihr geschlafen. Es ist nicht leicht Frieda auf die Spur zu kommen und wer nicht sehr acht gibt – und welche Herren geben denn sehr acht? – ist von ihr gleich irregeführt. Niemand weiß genauer als Frieda selbst wie kläglich sie aussieht; wenn man z.B. zum erstenmal sie ihre Haare auflösen sieht, schlägt man vor Mitleid die Hände zusammen, ein solches Mädchen dürfte, wenn es rechtlich
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