Einfach Abschalten
Prolog: Der Raum
Tap, tap, tap, tap, tap, tap …
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem riesigen Raum, der so gigantisch ist, dass bequem eine Milliarde Menschen darin Platz hat. So viele halten sich dort nämlich in genau diesem Moment mit Ihnen auf.
Außerdem ist dieser Raum so genial gestaltet, dass sich jeder zu jedem anderen in unmittelbarer Nähe befindet. Daher kann sich jede Person im Raum mit Leichtigkeit zu irgendeiner anderen Person begeben und ihr auf die Schulter klopfen.
Genau das geschieht, wenn Sie sich tagtäglich in diesem Raum bewegen. Wo immer Sie hingehen, kommen Leute auf Sie zu und klopfen Ihnen auf die Schulter. Manche tun es sacht, andere fester, aber sie wollen alle dasselbe: ein wenig Ihrer Zeit und Ihrer Aufmerksamkeit.
Einige stellen Fragen und erwarten Antworten. Andere bitten um einen Gefallen. Es gibt Leute, die Ihnen unbedingt etwas verkaufen wollen, und andere, die etwas von Ihnen kaufen wollen.
Manche teilen persönliche Neuigkeiten mit und zeigen Fotos von ihrer jüngsten Urlaubsreise. Andere wollen über Geschäftliches reden. Gelegentlich klopft jemand an, um zu sagen, dass er Sie vermisst – was ein bisschen merkwürdig ist, wo er oder sie sich doch mit Ihnen im selben Raum befindet –, und bedenkt Sie mit Küsschen und einer dicken Umarmung. Bestimmte Freunde klopfen Ihnen oft auf die Schulter, um Sie über alles, was sie denken oder tun, auf dem Laufenden zu halten, egal, wie belanglos es ist. »Ich esse gerade einen Cheeseburger«, sagt einer vielleicht und hält ihn auch gleich hoch, damit Sie ihn sehen können.
Begegnungen überlappen sich oft. Man hat gerade noch mit der einen Person zu tun, da klopft einem schon der Nächste auf die Schulter, und man muss sich zwischen ihnen entscheiden.
All diese Annäherungsversuche haben Sie gut im Griff, und Sie machen zudem Ihre eigenen. Es ist schon aufregend, in diesem Raum zu sein. Es ist ständig was los, und Sie lernen eine Menge. Und einige dieser Leute – vielleicht zwanzig oder dreißig unter dieser Milliarde – bedeuten Ihnen wirklich etwas. Sie machen es sich zum Prinzip, so oft wie möglich bei ihnen anzuklopfen, und wenn sie wiederum bei Ihnen anklopfen, fühlt sich das wirklich gut an.
Tap, tap, tap, tap, tap, tap.
So geht das Tag und Nacht. In diesem Riesenraum findet ein Nonstop-Festival menschlicher Interaktion statt.
Wie alle anderen im Raum haben auch Sie einen persönlichen Bereich, wo Sie essen, schlafen und herumhängen. Er ist hübsch eingerichtet und ziemlich gemütlich. Aber er hat keine Wände, und wer etwas von Ihnen will, kann jederzeit hereinkommen. Sollten Sie gerade eingeschlafen sein, hinterlassen die Leute eine Nachricht, manchmal mit dem Vermerk DRINGEND . Sie finden sie am nächsten Morgen, wenn Sie aufwachen – Dutzende Nachrichten, die auf Antwort warten.
Nach ein paar Jahren sind Sie das Leben in dem Raum ein wenig leid. Das ständige Anklopfen wird langsam anstrengend. Sie sehnen sich nach ein bisschen Zeit ohne all diese Leute, ihre Bedürfnisse und Forderungen und den merkwürdigen Sog, den das Leben in diesem Raum auf Sie ausübt.
Also beschließen Sie, eine kleine Pause einzulegen. Sie wollen den Raum für ein paar Tage verlassen, an einen Ort gehen, wo Sie niemand finden kann. Sie wissen auch genau, wie dieser Ort beschaffen sein soll: eine frische Brise, ein großer, freier Himmel, kein Geräusch außer den Vögeln und dem Wind, der durch die Bäume streicht. Und das Beste: keine anderen Leute. Sie sitzen ganz für sich da und lassen Ihre Gedanken schweifen.
Je intensiver Sie sich diesen Ort vorstellen, desto dringender möchten Sie dorthin. Warum haben Sie nicht schon vorher daran gedacht?
Sie packen eine kleine Tasche und begeben sich an den Randbereich des Raumes. Nach kurzer Zeit gelangen Sie zu einer der Wände. Ihre Augen suchen die Oberfläche ab, suchen nach einer Tür. Es scheint keine da zu sein, aber die Wand setzt sich in beiden Richtungen fort. Ohne bestimmten Grund, aus einem bloßen Gefühl heraus, gehen Sie nach links.
Sie gehen weiter und folgen der Umgrenzung des Raumes, wobei Sie aufmerksam nach einem Ausgang Ausschau halten. Wie an jedem anderen Tag kommen häufig Leute vorbei und klopfen Ihnen auf die Schulter. Das passiert alle paar Minuten.
Im Anschluss an jeden Kommentar und jede Anfrage, auf die Sie eingegangen sind, fragen Sie, wo sich die nächste Tür aus dem Raum hinaus befindet. Sie fragen wieder und wieder, aber niemand hat
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