Das Schloß
sie begleiten zu dürfen, vielleicht, so dachte er, findet sich dort eine Schlafgelegenheit; wie sie auch sein mochte, er hätte sie dem besten Bett hier im Hause vorgezogen. Olga antwortete nicht gleich, blickte sich nach dem Tisch um. Dort war der Bruder aufgestanden, nickte bereitwillig und sagte: »Wenn der Herr es wünscht –.« Fast hätte K. diese Zustimmung dazu bewegen können, seine Bitte zurückzuziehn, nur Wertlosem konnte jener zustimmen. Aber als dann die Frage besprochen wurde, ob man K. in das Wirtshaus einlassen werde und alle daran zweifelten, bestand er doch dringend darauf mitzugehn, ohne sich aber die Mühe zu nehmen, einen verständlichen Grund für seine Bitte zu erfinden; diese Familie mußte ihn hinnehmen wie er war, er hatte gewissermaßen kein Schamgefühl vor ihr. Darin beirrte ihn nur Amalia ein wenig mit ihrem ernsten geraden unrührbaren vielleicht auch etwas stumpfen Blick.
Auf dem kurzen Weg ins Wirtshaus – K. hatte sich in Olga eingehängt und wurde von ihr, er konnte sich nicht anders helfen, fast so gezogen wie früher von ihrem Bruder – erfuhr er, daß dieses Wirtshaus eigentlich nur für Herren aus dem Schloß bestimmt sei, die dort, wenn sie etwas im Dorf zu tun haben, essen und sogar manchmal übernachten. Olga sprach mit K. leise und wie vertraut, es war angenehm mit ihr zu gehn, fast so wie mit dem Bruder, K. wehrte sich gegen das Wohlgefühl, aber es bestand.
Das Wirtshaus war äußerlich sehr ähnlich dem Wirtshaus in dem K. wohnte, es gab im Dorf wohl überhaupt keine großen äußern Unterschiede, aber kleine Unterschiede waren doch gleich zu merken, die Vortreppe hatte ein Geländer, eine schöne Laterne war über der Tür befestigt, als sie eintraten flatterte ein Tuch über ihren Köpfen, es war eine Fahne mit den gräflichen Farben. Im Flur begegnete ihnen gleich, offenbar auf einem beaufsichtigenden Rundgang befindlich, der Wirt; mit kleinen Augen, prüfend oder schläfrig, sah er K. im Vorübergehn an und sagte: »Der Herr Landvermesser darf nur bis in den Ausschank gehn.« »Gewiß«, sagte Olga, die sich K.’s gleich annahm, »er begleitet mich nur.« K. aber, undankbar, machte sich von Olga los und nahm den Wirt beiseite, Olga wartete unterdessen geduldig am Ende des Flurs. »Ich möchte hier gerne übernachten«, sagte K. »Das ist leider unmöglich«, sagte der Wirt, »Sie scheinen es noch nicht zu wissen, das Haus ist ausschließlich für die Herren vom Schloß bestimmt.« »Das mag Vorschrift sein«, sagte K., »aber mich irgendwo in einem Winkel schlafen zu lassen, ist gewiß möglich.« »Ich würde Ihnen außerordentlich gern entgegenkommen«, sagte der Wirt, »aber auch abgesehn von der Strenge der Vorschrift, über die Sie nach Art eines Fremden sprechen, ist es auch deshalb undurchführbar, weil die Herren äußerst empfindlich sind, ich bin überzeugt, daß sie unfähig sind, wenigstens unvorbereitet den Anblick eines Fremden zu ertragen; wenn ich Sie also hier übernachten ließe und Sie durch einen Zufall – und die Zufälle sind immer auf Seite der Herren – entdeckt würden, wäre nicht nur ich verloren sondern auch Sie selbst. Es klingt lächerlich, aber es ist wahr.« Dieser hohe, fest zugeknöpfte Herr, der, die eine Hand gegen die Wand gestemmt, die andere in der Hüfte, die Beine gekreuzt, ein wenig zu K. herabgeneigt, vertraulich zu ihm sprach, schien kaum mehr zum Dorf zu gehören, wenn auch noch sein dunkles Kleid nur bäuerisch festlich aussah. »Ich glaube Ihnen vollkommen«, sagte K., »und auch die Bedeutung der Vorschrift unterschätze ich gar nicht, wenn ich mich auch ungeschickt ausgedrückt habe. Nur auf eines will ich Sie noch aufmerksam machen, ich habe im Schloß wertvolle Verbindungen und werde noch wertvollere bekommen, sie sichern Sie gegen jede Gefahr, die durch mein Übernachten hier entstehen könnte und bürgen Ihnen dafür, daß ich imstande bin für eine kleine Gefälligkeit vollwertig zu danken.« »Ich weiß es«, sagte der Wirt und wiederholte nochmals: »das weiß ich.« Nun hätte K. sein Verlangen nachdrücklicher stellen können, aber gerade diese Antwort des Wirtes zerstreute ihn, deshalb fragte er nur: »Übernachten heute viele Herren vom Schloß hier?« »In dieser Hinsicht ist es heute vorteilhaft«, sagte der Wirt gewissermaßen lockend, »es ist nur ein Herr hiergeblieben.« Noch immer konnte K. nicht drängen, hoffte nun auch schon fast aufgenommen zu sein, so fragte er nur nach dem Namen
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