Das Schloß
Tisch gesessen hätte K. nur sein Profil gesehn, da ihm aber Klamm stark zugedreht war, sah er ihm voll ins Gesicht. Den linken Elbogen hatte Klamm auf dem Tisch liegen, die rechte Hand, in der er eine Virginia hielt, ruhte auf dem Knie. Auf dem Tisch stand ein Bierglas; da die Randleiste des Tisches hoch war, konnte K. nicht genau sehn, ob dort irgendwelche Schriften lagen, es schien ihm aber, als wäre er leer. Der Sicherheit halber bat er Frieda durch das Loch zu schauen und ihm darüber Auskunft zu geben. Da sie aber vor kurzem im Zimmer gewesen war, konnte sie K. ohneweiters bestätigen, daß dort keine Schriften lagen. K. fragte Frieda, ob er schon weggehn müsse, sie aber sagte er könne hindurch schauen, so lange er Lust habe. K. war jetzt mit Frieda allein, Olga hatte, wie er flüchtig feststellte, doch den Weg zu ihrem Bekannten gefunden, saß hoch auf einem Faß und strampelte mit den Füßen. »Frieda«, sagte K. flüsternd, »kennen Sie Herrn Klamm sehr gut?« »Ach ja«, sagte sie, »sehr gut.« Sie lehnte neben K. und ordnete spielerisch ihre, wie K. jetzt erst auffiel, leichte ausgeschnittene cremefarbige Bluse, die wie fremd auf ihrem armen Körper lag. Dann sagte sie: »Erinnern Sie sich nicht an Olgas Lachen?« »Ja, die Unartige«, sagte K. »Nun«, sagte sie versöhnlich, »es war Grund zum Lachen, Sie fragten ob ich Klamm kenne und ich bin doch« – hier richtete sie sich unwillkürlich ein wenig auf und wieder ging ihr sieghafter, mit dem was gesprochen wurde, gar nicht zusammenhängender Blick über K. hin – »ich bin doch seine Geliebte.« »Klamms Geliebte«, sagte K. Sie nickte. »Dann sind Sie«, sagte K. lächelnd, um nicht allzuviel Ernst zwischen ihnen aufkommen zu lassen, »für mich eine sehr respektable Person.« »Nicht nur für Sie«, sagte Frieda, freundlich, aber ohne sein Lächeln aufzunehmen. K. hatte ein Mittel gegen ihren Hochmut und wandte es an, er fragte: »Waren Sie schon im Schloß?« Es verfieng aber nicht, denn sie antwortete: »Nein, aber ist es nicht genug, daß ich hier im Ausschank bin?« Ihr Ehrgeiz war offenbar toll und gerade an K., so schien es, wollte sie ihn sättigen. »Freilich«, sagte K., »hier im Ausschank, Sie versehen ja die Arbeit des Wirtes.« »So ist es«, sagte sie, »und begonnen habe ich als Stallmagd im Wirtshaus zur Brücke.« »Mit diesen zarten Händen«, sagte K. halb fragend und wußte selbst nicht, ob er nur schmeichelte oder auch wirklich von ihr bezwungen war. Ihre Hände allerdings waren klein und zart, aber man hätte sie auch schwach und nichtssagend nennen können. »Darauf hat damals niemand geachtet«, sagte sie, »und selbst jetzt –« K. sah sie fragend an, sie schüttelte den Kopf und wollte nicht weiter reden. »Sie haben natürlich«, sagte K., »Ihre Geheimnisse und Sie werden über sie nicht mit jemandem reden, den Sie eine halbe Stunde lang kennen und der noch keine Gelegenheit hatte, Ihnen zu erzählen, wie es sich eigentlich mit ihm verhält.« Das war nun aber wie sich zeigte eine unpasse Bemerkung, es war als hätte er Frieda aus einem ihm günstigen Schlummer geweckt, sie nahm aus der Ledertasche, die sie am Gürtel hängen hatte, ein Hölzchen, verstopfte damit das Guckloch, sagte zu K. sichtbar sich bezwingend, um ihn von der Änderung ihrer Gesinnung nichts merken zu lassen: »Was Sie betrifft, so weiß ich doch alles, Sie sind der Landvermesser«, fügte dann hinzu: »nun muß ich aber an die Arbeit«, und ging an ihren Platz hinter dem Ausschanktisch, während sich von den Leuten hie und da einer erhob um sein leeres Glas von ihr füllen zu lassen. K. wollte noch einmal unauffällig mit ihr sprechen, nahm deshalb von einem Ständer ein leeres Glas und ging zu ihr: »Nur eines noch Fräulein Frieda«, sagte er, »es ist außerordentlich und eine auserlesene Kraft ist dazu nötig, sich von einer Stallmagd zum Ausschankmädchen vorzuarbeiten, ist damit aber für einen solchen Menschen das endgültige Ziel erreicht? Unsinnige Frage. Aus Ihren Augen, lachen Sie mich nicht aus, Fräulein Frieda, spricht nicht so sehr der vergangene, als der zukünftige Kampf. Aber die Widerstände der Welt sind groß, sie werden größer mit den größern Zielen und es ist keine Schande sich die Hilfe selbst eines kleinen einflußlosen aber ebenso kämpfenden Mannes zu sichern. Vielleicht könnten wir einmal in Ruhe miteinander sprechen, nicht von sovielen Augen angestarrt.« »Ich weiß nicht was Sie wollen«, sagte sie und
Weitere Kostenlose Bücher